Höchste Zeit für neue Konzepte

Digital Round Table über die Unternehmensimmobilie der Zukunft

Die Unternehmensimmobilie ist und bleibt selbst in Zeiten beschleunigter Veränderung ein Erfolgsfaktor von Unternehmen. Nicht erst durch die in der Corona-Pandemie rasante Zunahme von im Homeoffice arbeitenden Mitarbeitern stellt sich die Frage, wie viel Fläche Unternehmen heute und in Zukunft überhaupt noch brauchen und wie sie diese Fläche effizient und effektiv nutzen können? Wie sollten Unternehmen in Zeiten, in denen Mobilität und Flexibilität gefordert sind, mit etwas umgehen, das per definitionem immobil ist? Zu Strategiewechseln und damit verbundenen Aufgaben gab der Round Table einige nachdenkenswerte Impulse. 

Wie entwickelt man Unternehmensimmobilien für den Markt von morgen?

Hendrik Staiger, Vorstand der Beos AG - Swiss Life Asset Managers

Mehrere globale Herausforderungen beeinflussen, wo Unternehmen in Zukunft wie viel Fläche für sich benötigen. Wie stark werden sich Trends wie Globalsierung, Deglobalisierung, Urbanisierung, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und der War of Talents auf die gewachsenen Strukturen von Ballungsräumen auswirken?

Wir werden vermehrt gemischt genutzte Quartiere sehen. Die Menschen wollen heute anders leben und arbeiten als früher. Die beiden Lebensbereiche müssen sich stärker vernetzen oder es sollte zumindest kürzere Wege vom einen zum anderen geben. Möglicherweise arbeiten die Mitarbeiter künftig nicht mehr an ihrem früheren Arbeitsplatz, sondern in kleinen angemieteten städtischen Büro-Hubs.

Unsere Antwort auf diese Herausforderung lautet, unsere Kunden von der langfristigen fixen Bindung an großflächige Immobilien so weit wie möglich zu befreien. Motto: So viel Freiheit wie Sie mögen, mit der Sicherheit, die Sie brauchen – das Ganze im Dialog angepasst auf die individuellen Bedarfe.

Hendrik Staiger Vorstand der Beos AG – Swiss Life Asset Managers

Stimme aus dem Teilnehmerkreis

„Alle wollen gerade remote arbeiten – dieser Trend wird auch nach der Pandemie anhalten. Deswegen brauchen wir weiterhin hochqualitative Flächen, tendenziell aber eher weniger davon. Wir müssen flexibler werden. Deswegen ist der Freiheitsansatz ohne langfristige MIet- oder Kauflösungen sehr interessant.“

Frank Heekerens, Head of Real Estate Management, ZF Friedrichshafen

Unternehmensimmobilien im Rahmen der Transformation

Jan-Peer Skupin, Leiter Gewerbeimmobilien bei Volkswagen Immobilien

Für uns als Immobilienberater bedeutet die Transformation von Unternehmensimmobilien, dass aus unserem großen Bestand an klassischen Büroimmobilien eine Kombination aus Büro- und Engineering-Immobilien wird, teilweise mit Laboren für die IT-Entwicklung oder zum Erproben von Techniken. In Logistikimmobilien wird das Thema Batterielagerung immer bedeutender.

Bei Händlerimmobilien sind wir mitten in einem Strukturwandel. In München sind wir kurz davor, ein klimaneutrales Autohaus der Zukunft für Audi fertigzustellen. Urban Service Hubs werden spätestens dann wichtig werden, wenn das autonome Fahren kommt, dazu haben wir Pilotprojekte in China. Wir werden künftig Gewerbeparks weiterentwickeln, Rechenzentren und E-Mobility-Stationen brauchen und eventuell verstärkt temporäre Bauten nutzen. Und das ist nur eine Auswahl der Themen, die uns beschäftigen.

Es gibt viele Herausforderungen. Aber wenn sie mich fragen, was mittelfristig, über die nächsten etwa fünf Jahre hinweg, die größte Herausforderung sein wird, dann ist das meiner Einschätzung nach der Umgang mit Bestandsimmobilien. Neue Gebäude können wir leicht gestalten, das ist ein Thema der Planung. Aber wie wir Bestandsimmobilien wirtschaftlich revitalisieren oder anpassen können, das steht besonders im Fokus.

Jan-Peer Skupin Leiter Gewerbeimmobilien bei Volkswagen Immobilien

Stimmen aus dem Teilnehmerkreis

 

„Das Thema IoT wird nicht nur in Immobilien immer zentraler. Es gibt keine pauschal-perfekte Antwort auf die Frage, wie die digitale Infrastruktur aussehen sollte. Aber ohne Automatisierung und Digitalisierung geht gar nichts mehr. Künstliche Intelligenz ist nur so gut wie die Daten, die Sie sammeln. Das müssen Unternehmen bedenken – egal, ob sie ein Bestandsgebäude sanieren oder eine neue Immobilie bauen möchten.“

Jonathan Davis, Leiter Gruppe IT und Digitalisierung, Drees & Sommer

 

 

„Die größte Schwierigkeit beim Vergleich der Lebenszykluskosten für die nächsten 30-40  Jahre zwischen der Sanierung von Bestandsgebäuden und Neubauten ist,  dass viele schwer kalkulierbare Parameter einfließen: Wie entwickeln sich etwa Rohstoffpreise, Regularien, Steuern, Nutzungsmischungen oder der Energiemix? Unserer Erfahrung nach ist es in einer Vielzahl der Fälle wirtschaftlicher und nachhaltiger, Bestandsimmobilien anzupassen und weiter zu nutzen als neu zu bauen. Man muss sich aber genau überlegen, wie man saniert, um über die gesamte Lebensdauer betrachtet kein schlechteres Ergebnis zu haben. Um das beurtelen zu können, muss man unbedingt eigenes Know-How aufbauen."

Hendrik Staiger, Vorstand der Beos AG – Swiss Life Asset Managers

 

 

„Als alter Baumensch weiß ich: Jede gesellschaftliche Veränderung ruft nach neuen Gebäuden. Das Problem ist, dass Immobilien Zeit brauchen und Veränderungen meistens schneller voranschreiten, als sie umgesetzt werden können. Wir reden schon lange über Nachhaltigkeit, aber es hat gedauert, bis das Thema auf den Weg gebracht war. Trotzdem sehe ich jede Veränderung positiv. Wir müssen uns nur an sie anpassen.“

Peter Laubenstein, Geschäftsführer Deceuninck

 

Arbeitswelt reloaded – Erkenntnisse für die Arbeitswelt von morgen

Sven Mylius, Senior Manager User Experience bei Drees & Sommer

Gemeinsam mit macom haben wir eine Blitzumfrage zur Arbeitswelt von morgen gemacht. Die ersten Ergebnisse sind schon sehr erkenntnisreich. Natürlich kann niemand wissen, was noch alles auf uns zukommt. Aber nach aktuellem Stand sind die Arbeitsplätze der Umfrageteilnehmer zu 43 Prozent ausgelastet. Es gilt: Je größer das Unternehmen, desto geringer ist die Auslastung. Das macht das Flächenmanagement zum Kostenhebel. Firmen müssen sich darüber klar werden, welchen Bedarf sie haben und welche Konzepte ihnen nutzen. Der nachhaltigste Quadratmeter ist immer der, den ich gar nicht erst bebaue.

Wir brauchen Ideen für die Soulware, also für das Miteinander, das Change Management, das Wohlbefinden. Die Veränderung der jahrelang gewohnten Arbeitskultur, dass wir plötzlich alle flexibel arbeiten sollen – das ist die größte Herausforderung für die Arbeitswelt von morgen.

Sven Mylius Senior Manager User Experience bei Drees & Sommer

Stimmen aus dem Teilnehmerkreis

 

„Aus der Perspektive des Technologiemanagements und der Digitalisierung leidet die Anpassung der Arbeitswelt darunter, dass wir noch zu sehr erfahrungsbasiert und rückblickend denken. Corporate Real Estate muss gemeinsam mit IT, HR und Legal untersuchen, wie der Nutzerbedarf ist und was sich kurzfristig umsetzen lässt. Die technische Verfügbarkeit ist weniger das Problem, da ist bis hin zu holografischen Meetings vieles möglich. Aber wir müssen die Regularien anpassen und einen rechtlich vertretbaren und mitarbeiterorientierten Rahmen schaffen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen."

Oliver Mack, Managing Partner macom Group

 

 

„Wir reden viel übers Homeoffice, aber wir müssen in produzierenden Unternehmen unter sozialen Aspekten aufpassen, den Mann und die Frau an der Maschine nicht zu vergessen. Es ist nicht gut, wenn sich die Büro- und die Produktionsarbeit voneinander entkoppeln und keine Interaktion stattfindet. Wir sind alle wichtig für den Unternehmenserfolg.“

Peter Laubenstein, Geschäftsführer, Deceuninck

 

Offene Diskussion

Weitere Stimmen zum Wandel der Unternehmensimmobilie und zu neuen Arbeitswelten.

 

„Um Arbeitswelten zu verändern, braucht es einen von den Mitarbeitern getragenen Kulturwandel. Wenn innerhalb der Mannschaft wenig Innovationsbereitschaft herrscht, liegt das häufig daran, dass der technologische Sprung zu groß ist. In unserem Geschäft heißt das: Ich komme in eine Immobilie mit einer Beleuchtung, die kann an und aus und wenn sie gut ist noch ein bisschen dimmen. Jetzt soll sie Open Space und Collaboration unterstützen, soll Menschen tracken und Informationen abfangen, soll alle möglichen Annehmlichkeiten des 21. Jahrhundert in das Gebäude mit hineinbringen. Was wir bei uns festgestellt haben: Es verbessert das Unternehmensklima und den Change-Prozess extrem, wenn es gelingt, ein Wir-Gefühl zu schaffen und den Mitarbeitenden durch Transparenz Ängste zu nehmen.“

Daniel Oncken, Key Account Manager, Signify

 

 

„Bei neuen Richtlinien für derartige Modelle würde ich empfehlen, sie nicht erst aufzustellen und dann umzusetzen, sondern die Richtlinie direkt an einem konkreten Objekt/ Projekt, das ohnehin realisiert wird, anzuwenden. Das kostet dann voraussichtlich etwas mehr Zeit in der Konzeption, hat aber den Vorteil, dass man sehr schnell in Umsetzung und KVP (kontinuierlicher Verbesserungsprozess) ist. In einem kleinen oder mittelständischen Unternehmen mag es funktionieren, zuerst die Richtlinie zu erarbeiten und danach in die Umsetzung zu gehen. Bei großen Unternehmen mit mehr Entscheidungsebenen würde ich besser wie beschrieben die Umsetzung direkt angehen“

Frank Heekerens, Head of Real Estate Management, ZF Friedrichshafen

 

 

„Wir haben in der Vergangenheit häufig Arbeitsplatzkonzepte gemeinsam mit einem Corporate Real Estate entwickelt, gegen die es zum Schluss immer das Argument gab, sie im Betriebsrat nicht durch zu bekommen. Da ist in der Corona-Zeit ein extremer positiver Wandel entstanden. Derzeit sträubt sich kein Betriebsrat gegen neue Konzepte. Diese Zeit sollten wir nutzen, um endlich Arbeitsweisen so zu modernisieren, wie das über Jahre hinweg nicht gelungen ist.“

Stephan Thulmann, Head of Industry, Drees & Sommer