Themendialog 15.06.2021

Ein kleines Stück Rückkehr zur alten und ein gehöriger Aufbruch zur neuen Normalität – das erlebten rund 100 Gäste in hybrider Form am Vortag des Gipfeltreffens der Weltmarktführer. Einige Referentinnen und Referenten des Themendialogs waren persönlich in Stuttgart, der Rest spitzte am Bildschirm die Ohren. Denn moderiert von Dr. Birgit Guhse und Götz Schönfeld (beide Drees & Sommer) drehte sich beim Mittagsdialog alles um inspirierende Impulse für die Transformation.

Das begann mit der Keynote unter dem Titel „Europa im Transformationsprozess“ von Dr. Christoph Brüssel, Vorstand im Senat der Wirtschaft. Er merkte an, dass wir wahrscheinlich inmitten der spannendsten Zeiten der vergangenen Jahrhunderte sind und der Wandel selten so unausweichlich war wie heute. Er hielt ein eindringliches Plädoyer für Europa und das „Erfolgsmodell EU“. Nur als Einheit sei Europa handlungsfähig, um im Dreiklang Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung nachhaltige Lösungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu entwickeln. Beispiel: digitale Anwendungen, die nicht dem Silicon Valley hinterherhecheln, sondern vorausgehen – geboren aus eigenen Stärken.

Erfolgreiche Transformation, betonte Dr. Brüssel, brauche einen konstruktiven, vorurteilsfreien Austausch aller Akteure, ungeachtet kultureller Differenzen. Das und weitere Punkte griff Manfred Tropper, CEO und Gründer von mantro, in persönlichen Signaturen seiner Bücher auf, welche er als Geschenk an die Impulsgeber überreichte.  

TRIALOGE

Transformation von Städten und Standorten
Die Teilnehmer des ersten der insgesamt vier Trialoge, griffen die Worte des Keynotesprechers auf und unterfütterten sie. Dr. Christian Herzog, Geschäftsführer von bw-i, Dr. Burkhard Fritz, Geschäftsführer der Unternehmerkraft Group und Olivier W. Annaheim, CEO von Condecta aus der Schweiz, debattierten über Mentalitätssprünge für die Transformation, über Test- und Traumräume für Innovationen, über Selbstvertrauen und Mut und über die Unaufgeregtheit der Schweizer. Klare Botschaft: die Basis für Transformation im DACH-Raum ist gegeben, Unternehmen und Staat müssen sie nur konsequenter nutzen.   

„In der Bauindustrie ist Europa führend. Beim nachhaltigen Bauen kann die Welt von unseren klugen Köpfen lernen.“  

Olivier W. Annaheim

Die digitale Transformation zu nachhaltigen Geschäftsprozessen
Im Anschluss daran übernahmen Dominik Stroh, Sales Director bei Fujitsu, Benjamin Schulte, COO von Comma Soft und Patrick Marous, CEO von thyssenkrupp Aerospace, das Kommando. Sie stellten ein beeindruckendes kollaboratives Best-Practice-Beispiel mit KI vor und zeigten, wie es (dem Fujitsu-Credo folgend) gelingt, den „Mensch in den Mittelpunkt“ zu stellen, ohne ihn inmitten von Transformationsprozessen zu verlieren. Somit können in Zukunft aus dem Dreiklang aus Bereitsteller der Infrastruktur, des Softwarehauses und des Initiators  Lösungen für  nachhaltige und transparente Lieferketten entstehen. Das kann mit Hilfe von Machine Learning ein besonderer Vorteil für die  von Corona hart gebeutelten Industrie sein. Ziel: Nicht nur den Weg zu einer nachhaltigen Transformation des Unternehmens ebnen, sondern auch zu einer der gesamten Industrie.

„Beim Machine Learning geht es darum, dass der Mensch mit der Maschine lernt. Datenmodelle, die kein Mensch versteht, führen zu einer Abwehrhaltung. Deswegen haben wir das Projekt mit dem Business gemeinsam gemacht. Das Business liefert die Daten und interpretiert sie.“

Patrick Marous

Transformation von Unternehmen und Standorten
Im Anschluss sprachen Eva-Kristin Seeber, Executive Director Corporate Solutions bei Corpus Sireo und Dr. Daniel Wurstbauer, Senior Projektmanager Corporate Solutions bei BEOS, mit Michael Müller, CEO von Müller – Die Lila Logistik und Peter Laubenstein, Geschäftsführer von Deceuninck Germany, über die Unternehmensimmobilie der Zukunft und über mehr Wettbewerbsfähigkeit durch neue Infrastrukturen. Konkret machten sie das am Beispiel des Air Tech Campus Oberpfaffenhofen, Deutschlands bedeutendster Werk- und Forschungsflughafen und gleichzeitig riesiger Gewerbepark fest. Ein zweiter Bestandteil ihrer Diskussion: Evolutionäre Prozesse in der Logistik.

„Unternehmensimmobilien brauchen eine flexiblere Aufstellung. Auf Campus-Arealen können sich Unternehmen gegenseitig inspirieren. Die Tendenz geht dahin, sich zu öffnen – ohne notwendige Sicherheitsaspekte außer Acht zu lassen.“

Eva-Kristin Seeber

„In der Logistik ist es vor allem für die Hubs vor der Last Mile inzwischen technolo-gisch möglich, Bestandsgebäude mit Automatisierungslösungen umzurüsten statt etwas Neues installieren zu müssen. Trotzdem werden neue Gebäude, Parkhäuser und auch größere Wohnhäuser künftig für Logistikfunktionen geplant werden.“

Michael Müller

Transformation in der Lebensmittelbranche
Im vierten Trialog wurde die Moderatorin, Dr. Birgit Guhse, zur Diskussionsteilnehmerin.
Als Head of Food & Beverage bei Drees & Sommer hat sie zur Transformation in der Lebensmittelbranche doch eine Menge zu sagen, genau wie Jan Bredack, CEO von Veganz und René Habers, Leiter Marketing und Sales bei Georg Fischer. Das Trio hob hervor: Transformation ist konsumentengetrieben – weil Verbraucher informierter sind als noch vor ein paar Jahren und mehr Transparenz einfordern. Die Transformation ist aber auch unabhängig von externem Druck notwendig, um die Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung zu gewährleisten. Und auch in dieser Branche gilt: Ohne Daten geht es nicht

„Um eine Bewusstseinsänderung in der Industrie hervorzurufen, brauche ich messbare Informationen für eine Transparenz der Wertschöpfungsketten. Ich kann jeder Firma nur empfehlen: Haltet euch den Spiegel vor und dreht danach sukzessive an kleinen Stellschrauben.“

Jan Bredack

Abschlussdiskurs zum Thema Verantwortung, Führung, Veränderung

Mit Prof. Claudia Peus, Gründungsdirektorin der TUM Institute for Life Long Learning, TU München, Dr. Jennifer Scheydt, Leiterin Engineering & Innovation bei der Heidelberg Cement AG, Sophia Rödiger, Gründerin und CEO von @MountainMinds und @bloxmove und Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführerin der DGNB

Den Abschluss des Mittagsdialogs bildete eine Diskussion mit rein weiblicher Perspektive. Moderiert von Manfred Tropper, CEO von mantro und Götz Schönfeld, formulierten die Teilnehmerinnen Thesen für neue Führungsstile und Mitarbeitermotivationen, diskutierten Pandemiefolgen und schwärmten von der Kraft der Veränderung. Ein Take-away daraus: Um Mitarbeiter Neues annehmen zu lassen, Organisationen in Bewegung zu versetzen und letztlich Transformation in Gang zu bringen, muss Führung Fingerspitzengefühl und Sensibilität beweisen. 

Prof. Claudia Peus

 

„Führung heute verlangt Vertrauen verknüpft mit klaren Erwartungen an die Mitarbeiter und der Bereitschaft, sich deren Erwartungen anzuhören. Auch wenn Führungskräfte technologisch viel kompetenter sein müssen als früher, müssen sie gleichzeitig menschliche Grundbedürfnisse wie Fairness und Autonomie stärker berücksichtigen. Schließlich brauchen sie ein starkes Wertegerüst als inneren Kompass.“

 

Dr. Jennifer Scheydt

 

"Ich empfinde den Transformationsprozess in der Baubranche nicht als Bedrohung. Ich bin ganz im Gegenteil gespannt, was wir aus ihm machen. Wenn wir es schaffen, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass sie den Wandel mitgestalten und sich einbringen können, dass es anders laufen darf, als wir es ‚immer schon gemacht‘ haben, dann entsteht daraus eine enorme Kraft.“

 

Sophia Rödiger

 

„Wenn wir wie zuletzt in der Pandemie von Termin zu Termin in virtuellen Räumen hetzen, führt das dazu, dass wir nicht mehr wirksam sind. Jetzt, wo so viele gewohnte Strukturen aufgebrochen sind, ist die Chance da, die Zusammenarbeit neu zu gestalten. Die Führung muss diese Möglichkeiten erkennen und Initiator für Experimente sein. Wichtig ist bei jeder dieser Veränderungen mitzudenken, wie passt das in unser System, wie können wir das Neue in der Organisationintegrieren–denn Hauptsache wild und anders wird nicht automatisch zum Transformationserfolg führen.“

 

Dr. Christine Lemaitre

 

„Theorien zum Klimaschutz und zur Nachhaltigkeit kennen wir seit Langem. Jetzt ist es wichtig, ins Handeln zu kommen. Dazu ist die Balance wichtig zwischen den Dingen, die wir kennen, und denen, die wir erst noch ausprobieren müssen. Es braucht einen ruhigen Raum und eine faktenbasierte Systematik, es braucht kleine Schritte. Denn es hilft nicht, sich alle Probleme der Welt gleichzeitig auf den Schreibtisch zu ziehen.“ 

 

Zitate

Dr. Christian Herzog

„Wir haben die Innovation bei uns. Die Frage ist nur, wie wir Anwendungen finden und wie wir Kunden und damit auch Kommunen und Gemeinden Zugang zu ihr verschaffen.“

Benjamin Schulte

„Unsere Erfahrung zeigt: Die Transformation erfordert die ganzheitliche Einbindung der eigenen Fachexpertinnen und-experten aus dem Kerngeschäft. Niemand kennt die Arbeitsprozesse und-strukturen so gut wie sie. Diese direkte Auseinandersetzung führt zu Akzeptanz. Ein Outsourcen der digitalen Transformation ist hier eher kontra-produktiv und reine Scheineinfachheit.“  

Peter Laubenstein

„Der Energieverbrauch und die Energieeffizienz von Produktion und Gebäuden sind die entscheidende Größe der Zukunft. Sich zu verkleinern und zusammenrücken kann unserer praktischen Erfahrung zufolge einen positiven Effekt für die Kommunikation haben.“

René Habers

„Bei den von uns produzierten Einbauteilen für automatisierte Lebensmittelprozesse geht es mittlerweile vor allem um Vernetzung und darum, welche Daten sie abgeben können. Da müssen wir weitermachen.“

Dr. Daniel Wurstbauer

„Die kleinteilige Logistik ist für uns als BEOS superspannend. Da würden wir gern viel mehr machen. Baurechtliche Schwierigkeiten und Verfügbarkeitsprobleme erschweren das allerdings.“ 

Dr. B. Fritz

„Wer neue Räume für Schöpferisches schaffen will, muss mit den Gewohnheiten des Managens und Verwaltens brechen.“

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Wir freuen uns, Sie auch wieder bei der nächsten Themenreise begrüßen zu dürfen.