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Risikoreiches Reisen?

Gesa Rohwedder ist Head of Hospitality Europe beim international tätigen, auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer. Im Interview spricht sie darüber, wie die Hotellerie gegen die Coronakrise ankämpfen kann und welche politischen Maßnahmen gefordert sind.

Frau Rohwedder, wissen Sie eigentlich noch, wohin man derzeit reisen darf?

Gerade in den letzten Tagen ist die Verunsicherung erneut enorm gestiegen. Fast täglich ändern sich die Reisewarnungen, was für alle Beteiligten - Flugindustrie, touristische Unternehmen wie Hotels und nicht zuletzt die Reisenden - eine echte Herausforderung ist. Besonders schwierig ist dabei die Uneinheitlichkeit der Restriktionen. Essen gehen, übernachten, kleine oder große Gruppen treffen - es kann doch kein Reisender mehr nachvollziehen, in welchen Bundesland was genau erlaubt ist. Dabei sah es vor wenigen Wochen noch ganz anders aus. Politiker jeder Couleur forderten die Menschen dazu auf, ihre Ferien in Deutschland zu verbringen. Brandenburg statt Barcelona, Schwarzwald statt Südostasien. Wer aber geglaubt hat, mit diesen Buchungen auf der sicheren Seite zu sein, kämpft sich aufgrund des nunmehr geltenden Beherbergungsverbots gerade vielerorts durch AGBs und Stornierungsrichtlinien. Hier sind alle Verlierer und ich habe großes Verständnis, wenn Hoteliers einsprechende Stornobedingungen aufrufen müssen und Reisende momentan nur zögerlich buchen.

Einige Bundesländer haben das Beherbergungsverbot mittlerweile gekippt. Finden Sie das eigentlich richtig, trotz der steigenden Corona-Fallzahlen?

Es ist nachgewiesen, dass nahezu keine Infektionen auf Hotelaufenthalte zurückzuführen sind, insofern kann ich dieses innerdeutsche Beherbergungsverbot nicht nachvollziehen. Hotels haben in den letzten Monaten enorme Anstrengungen unternommen, von der Entwicklung komplexer Hygienekonzepte bis zu Investitionen in bauliche Veränderungen, um Gästen ein hohes Maß an Sicherheit und Hygiene zu bieten. Verständlich ist jedoch durchaus, dass angesichts der steil ansteigenden Zahl der Neuinfektionen die Politik derzeit massiv unter Druck steht. Viele der eingeleiteten Maßnahmen von Bund und Ländern sind auch absolut richtig und das Corona-Krisenmanagement in Deutschland erntet international große Anerkennung. Aber sowohl Experten als auch Politiker müssen bei Corona auf Sicht fahren und aus den Erfahrungen vom Frühjahr lernen. Meines Erachtens sollte gerade beim Beherbergungsverbot dringend nachgebessert werden

War die Angst vor den Infektionen also ein schlechter Ratgeber?

Im Fall des Beherbergungsverbots ja. Zu diesem Schluss kommen zumindest zahlreiche Gerichte, beispielsweise in Niedersachsen oder Baden-Württemberg. Hier wurde das Beherbergungsverbot für rechtswidrig erklärt, da es keine notwendige Schutzmaßnahme sei. Sachsen-Anhalt hält dagegen bis heute daran fest. Dieser Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen sorgt nicht nur für Verwirrung bei den Reisenden. Noch schlimmer ist der Vertrauensverlust, da impliziert wird, dass Hotellerie und Gastronomie an der Verbreitung des Coronavirus mit schuldig sind, was ja nachweislich nicht der Fall ist.

Aber das könnte doch sein, oder etwa nicht?

Ich bin kein Virologe und halte mich daher auch mit Mutmaßungen zurück. Aber wenn selbst Virologen und Ärztevertreter das Beherbergungsverbot nicht für sinnvoll halten, warum dann also mit Kanonen auf Spatzen schießen? Die überwiegende Mehrheit der Hotels verfügt über ausgezeichnete Hygienekonzepte und die potenzielle Ansteckungsgefahr ist nicht höher als beim Einkaufen, in der U-Bahn oder im Büro. Natürlich will niemand in der Branche das Coronavirus verharmlosen. Aber der Sicherheit der Gäste und der Mitarbeiter ist nur gedient, wenn die Maßnahmen aus infektiologischen Gründen auch Sinn machen. Viele Hotels, Gastronomen und Unternehmen der Event-Branche sind mittlerweile am Rand der Existenz, daher kommt es nun auf nachvollziehbare Forderungen seitens der politischen Entscheidungsträger und auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen an.

Jenseits der politischen Maßnahmen: Welchen Spielraum haben die Hotels selbst?

Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Im Moment sind in erster Linie der enge Austausch und das Miteinander von Eigentümern und Betreibern wichtig. Flexible Pachtmodelle können hier das Überleben aller sicherstellen und für Betreiber ebenso wie für Eigentümer von Hotelimmobilien noch Luft zum Atmen lassen. Vielerorts werden derzeit hybride, an den Umsatz gekoppelte und deutlich angepasste Pachten, die Stundung von Zahlungen oder eine Verlängerung von Pachtverträgen verhandelt. Schlüssel hierzu ist die Transparenz und ein konstruktives sowie vertrauensvolles Miteinander beider Parteien in diesen turbulenten Zeiten. 

Solche Modelle können einen gewissen Zeitraum überbrücken, aber reicht das, um die Corona-Krise zu überstehen?

Das hängt in erster Linie davon ab, wie lange die Auswirkungen der Pandemie das Reise- und Tagungsverhalten prägen werden. Darüber hinaus gibt es bereits heute Hotelbetriebe, die besser durch die Krise kommen, wie etwa städtische Hotels mit einem hohen Anteil nationaler und freizeittouristischen Übernachtungsnachfrage, Longstay-Hotelkonzepte sowie die Ferienhotellerie. Wer dagegen auf internationale Gäste, Geschäftsreisen, Messe- und Tagungsgäste angewiesen ist, gehört zu den großen Verlierern der Coronakrise. Auch werden - zumindest in den nächsten zwei Jahren - Fernreisen gegenüber dem Binnenlandtourismus weiter an Attraktivität verlieren. Darauf stellen sich die Hotels gerade ein, konsolidieren ihre Expansionsstrategie und fokussieren sich auf die Kernmärkte.

Wie sieht das konkret aus?

Für Investoren und Eigentümer kommt es vor allem darauf an, ihre Hotelkonzepte und -produkte zu schärfen, optimiert zu führen und auf die veränderten Bedürfnisse anzupassen. Während sich Pre-Corona mittelmäßige Hotelkonzepte vielerorts durch die fast ungebremste Nachfrage erfolgreich im Markt behaupten konnten, werden genau diese Hotels sich nur schwer wieder erholen. Noch mehr als bisher schon kommt es auf die betriebliche Effizienz und Markfähigkeit an. Auch Alternativ-Konzepte und die Drittverwertbarkeit müssen zukünftig in Erwägung gezogen werden, wie beispielsweise die Umwandlung von Hotels in Studentenapartments oder Mikro-Apartments. Sharing-Modelle wie Co-Working oder Co-Living haben Konjunktur, ebenso wie Longstay-Hotels und Megatrends wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung.

Das klingt zwar alles sehr gut, aber wie sollen sich Hotels gerade derzeit die zusätzlichen Kosten für Umwelt- und Klimaschutz leisten können?

Für viele Hotels gibt es gerade keinen finanziellen Spielraum, das ist richtig. Hier geht es erstmal darum, die eigene Existenz zu sichern. Wer aber kann, sollte sich Gedanken machen, wie sich der eigene Betrieb für die Zukunft nachhaltig aufstellen kann. Bereits vor Corona haben gesellschaftliche Trends wie die ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit dazu geführt, dass immer mehr Investoren Geld in die Hand nehmen, um ihre Hotels „grüner“ und auch effizienter zu machen. Der Kosten- und Investitionsdruck für Eigentümer und Betreiber ebenso wie das steigende Gesundheits- und Umweltbewusstsein der Reisenden wird diese Entwicklung noch verstärken. Auch, wenn unser Alltag derzeit von den COVID-19 Auswirkungen geprägt ist, wird es eine Zeit nach Corona geben. Wer jetzt solide und zukunftsweisende Entscheidungen für sein Unternehmen trifft, wird sich im New Normal behaupten können. Dies gilt auch für den Tourismus und die Hotellerie und hier für Investoren, Eigentümer und Betreiber von Hotelimmobilien.