Medikamente aus Zellen: Boehringer Ingelheim baut Europas größtes Entwicklungszentrum für Biotechnologie

© Boehringer Ingelheim / Michael Kettel Fotografie
Die Investition in Biberach bündelt biopharmazeutische Entwicklungen und erhöht die Kapazität.

Biberach, 12.07.2023. Ein Labor so groß wie fünf Fußballfelder und Investitionen in Höhe von 350 Mio. Euro: Der Pharmariese Boehringer Ingelheim, Deutschlands zweitgrößter Arzneimittelhersteller, hat im baden-württembergischen Biberach ein neues Entwicklungszentrum für Biotechnologie eröffnet. Dort werden Medikamente aus Zellkulturen entwickelt, die etwa zur Behandlung von Krebs oder Immunerkrankungen eingesetzt werden. Das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE begleitete das Unternehmen von der Ausführungsplanung bis zur Inbetriebnahme.

Biopharmazeutika gehören derzeit zu den am schnellsten wachsenden Arzneimittelsegmenten in der Pharmabranche. Sie eröffnen Therapiemöglichkeiten bei schweren Erkrankungen wie Krebs oder Multipler Sklerose. Der Standort Biberach ist weltweit das größte Forschungs- und Entwicklungszentrum von Boehringer Ingelheim. Im neuen Gebäudekomplex, dem Biologicals Development Center, stellen künftig rund 500 Mitarbeitende Wirkstoffe vom Labormaßstab bis zur klinischen Studie her.

Um optimale Arbeitsbedingungen zu schaffen, setzt das Unternehmen auf ein Reinraumkonzept, das sowohl Büro-, als auch Labor- und Produktionsflächen integriert. „Das Gebäude stellt dem Bereich Development Biologicals modernste Infrastruktur und flexibles Equipment zur Verfügung. Durch das Gebäudekonzept bringen wir Mitarbeitende, die Prozesse entwickeln, Wirkstoffe herstellen und die Moleküle verstehen, in einen sehr offenen Austausch. Sie werden hier zukünftig eng zusammenarbeiten und Entwicklung auf höchstem Niveau betreiben“, erklärt Ralf Schumacher, Leiter der biotechnologischen Entwicklung bei Boehringer Ingelheim.

Hohe Anforderungen an das Projektmanagement

Das Pharmaunternehmen stellte dabei hohe Anforderungen an den Neubau: „Die Qualitätsansprüche in Life Sciences-Projekten sind enorm, der Zeitdruck bei Super-Fast-Track-Projekten extrem“, erklärt Stefan Göstl, Associate Partner und Head of Life Sciences & Chemicals bei Drees & Sommer. „Die pharmazeutischen Qualitätssicherungssysteme müssen bereits in der Planungs- und Bauphase berücksichtigt werden, ansonsten lassen sich Termin- und Kostenrahmen nicht halten. Wir setzen daher auf das sogenannte integrierte Projektmanagement, das Planung, Bau und Prozesstechnik als Einheit definiert und optimal aufeinander abstimmt.“

Bei Boehringer Ingelheim startete Drees & Sommer mit einer 360-Grad-Analyse des laufenden Projekts, um einen genauen Überblick über den Status Quo zu erhalten und daraus die weiteren Schritte abzuleiten. Im Anschluss übernahm das Team diverse Leistungen im Bereich Projekt Management Office (PMO), unterstützte  bei der Durchführung der Lean Systeme, beim Auftragnehmermanagement sowie der Inbetriebnahmeunterstützung und wirkte beim Umzugsmanagement und der Steuerung des Pendenzenmanagements mit.

Geführte Inbetriebnahme – Qualität von Anfang an

Noch vor dem Abzug der letzten Gewerke stand die Inbetriebnahme des neuen Entwicklungszentrums an. Laut den Erfahrungswerten von Stefan Göstl ist diese letzte Phase vor dem Handover nicht nur zeitlich signifikant, sondern auch finanziell: „Die enorme Komplexität der Branche, hohe Sicherheitsstandards und die im Rahmen der Inbetriebnahme einzuhaltenden Regularien führen dazu, dass sich die Inbetriebnahme von Neuanlagen auf acht bis fünfzehn Prozent der Gesamtinvestitionen beläuft. Mangelnde Kenntnisse oder falsche Entscheidungen schlagen dabei schnell sehr teuer zu Buche. Denn jede Inbetriebnahme ist anders und erfordert spezielle Kenntnisse und individuelle Lösungen.“ Die Ursache dafür liegt hauptsächlich in der Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Qualitäten, Ressourcen und nicht zuletzt der neuen Projektbeteiligten, die in dieser Phase eines Projekts mitunter erstmals einzubinden sind. Damit treffen unterschiedliche, teils divergierende Interessen sowie differierende Wissensstände und Kompetenzen von Projektbeteiligten, Nutzern und Stakeholdern aufeinander, die es zu berücksichtigen gilt.

Zentrales Project Management Office gibt Struktur

„Um die Transparenz der tatsächlichen Projektstände zu erfassen, haben wir ein stringentes Reporting und diverse Tracking-Tools implementiert“, sagt Ulrich Kaufmann, Associate Partner der Drees & Sommer SE. Besonders wichtig ist dabei ein klar strukturiertes Schnittstellenmanagement. Aus gutem Grund: In der Regel greifen die Vielzahl an involvierten Firmen und deren individuell vertraglich vereinbarten Lieferumfänge nicht 1:1 ineinander. Hier ist es besonders wichtig, Lücken rechtzeitig aufzudecken und zu schließen.

Ein spezielles Progress Tracking & Reporting Tool stellt den ursprünglich geplanten und den tatsächlichen Projektfortschritt gegenüber. Es fungiert als Frühwarnsystem, das es erlaubt, aufkommende Herausforderungen früh zu erkennen und aktiv zu verringern. Ulrich Kaufmann zufolge kommt es neben den richtigen Tools aber auch auf die Erfahrungswerte an: „Jede noch so vermeintlich kleine falsche Entscheidung kann sich negativ auf das Gesamtprojekt auswirken und teure Verzögerungen oder Nachträge zur Folge haben.“

Auch für die Inbetriebnahme war das PMO wesentlicher Bestandteil des Leitungsteams. Es implementierte eine maßgeschneiderte Projektstruktur, erstellte Reportings, koordinierte Kosten sowie Termine und garantierte eine vollständige Dokumentation für Boehringer Ingelheim.