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Mehr Planungssicherheit am Bau in unsicheren Zeiten

Schwankende Baustoffpreise, Lieferprobleme, Mitarbeiterengpässe und explodierende Energiekosten: Lean Management Methoden werden in Österreich immer öfter angewandt, um Unsicherheitsfaktoren in Bauprojekten entgegenzuwirken und diese effizienter zu gestalten. Bei einem Round Table Gespräch mit Experten aus verschiedensten Bereichen der Bauwirtschaft auf Einladung des Immobilienberatungsunternehmens Drees & Sommer in Wien war man sich einig, dass Lean prinzipiell viele Chancen für mehr Planungssicherheit bietet. Mehr Lean am Bau bedingt aber auch einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Bauwirtschaft.

Bauprojekte seriös hinsichtlich Termine und Kosten zu planen wird derzeit zu einer immer größeren Herausforderung. Kostenvorhersagen sowohl für Material als auch für Arbeitskräfte werden immer schwieriger. Umso bedeutender wird es, die vorhandenen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen, die interne Kommunikation zu verbessern, Lösungskompetenz zu fördern, wo es nur geht und vorhandenes Know-how optimal im Sinne von Bauherren zu nutzen.

„Eine Baustelle ist ein großes Netz an verschiedenen Einflüssen, die jeden Tag kommen“, erklärt Till Utermoehlen von Langenburg Technologies Europe bei einem Round Table Gespräch mit Experten aus verschiedensten Bereichen der Bauwirtschaft auf Einladung des Immobilienberatungs- und planungsunternehmens Dress & Sommer in Wien. „Ob es das Personal betrifft, Lieferzeiten oder Änderungen im Projekt: Lean ist ein sehr geeignetes Tool das irgendwo zu sortieren.“

Verschwendung vermeiden
Lean Management folgt dem Ziel, Ressourcen so effizient wie möglich einzusetzen und jede Form der Verschwendung – sei es hinsichtlich Zeit oder Kosten – so gut es geht zu vermeiden. Die Planung eines Projektes ist dabei von zentraler Bedeutung. Zudem braucht es aber auch geeignete Werkzeuge, um beim Auftreten verschiedenster akuter Problemstellungen schnell und angemessen reagieren zu können. Wichtig sei es, alle Beteiligten zusammenzubringen, Dinge klar anzusprechen und dann gemeinsam Lösungen zu finden, sind sich alle Teilnehmer:innen des Round Table Gesprächs einig.

„Diejenigen, die am Bau arbeiten, wissen schon wie man vorhandene Probleme gut löst, man muss es nur anstoßen und zusammensetzen“, ergänzt Till Utermoehlen. Entscheidend sei eine solide Vertrauensbasis zwischen Bauherren und den ausführenden Firmen. „Das bewirkt unglaublich viel und muss vom Bauherren ausgehen.“ Umso wichtiger sei dies, je größer und komplexer Baustellen seien. Denn: „Wenn auf komplexen Baustellen ein kleiner Teil nicht funktioniert, dann scheitert auch das Große.“

Viele Vorteile
Das Aufsetzen eines Lean-Prozesses bedingt natürlich auch einen entsprechenden Planungsaufwand. Jedoch stünden diesem viele Vorteile gegenüber, vor allem wenn ausführende Unternehmen mit all ihrer Erfahrung und ihrem Wissen miteinbezogen werden. „Mit Lean Management rufen wir das gesamte vorhandene Potenzial der beteiligten Gewerke ab. Das Projekt profitiert so von einer höhere Prozessstabilität und Preissicherheit“, ist sich Thomas Reicher von HABAU sicher. „Die ausführenden Firmen sind immer am neuesten Stand bei Preisentwicklungen und neuen Technologien. Dieses Know-how ist in der Planung meist nicht tagesaktuell vorhanden“, ergänzt Daniela Bedenk von ATP.

Gerade bei komplexen Projekten würde an Lean Management in Zukunft kein Weg vorbeiführen, ist sich Rainer Haubenwaller von RHTB sicher. Denn: „Wer soll heute noch bei komplexen Projekten allein alle Schnittstellen über alle Gewerke managen? Für uns Handwerker ist eine ganzheitliche Methode, die das Gemeinsame fördert, von Vorteil. Wenn wir früh unser Know-how in das Projekt einbringen können, erleben wir als Handwerker einen anderen Stellenwert.“ Ein partnerschaftlicher Zugang dürfe nicht dem Zufall überlassen werden, sondern brauche ein klares Regelwerk ergänzt Thomas Reicher. „Man muss gemeinsam das schwächste Gewerk erkennen und entsprechend agieren.“

Mehr Transparenz
Gabriel Schuh von Drees & Sommer hat bereits verschiedenste Projekte im Industrie- oder Automotive-Bereich mit Lean-Methodik umgesetzt und sieht den Vorteil vor allem in der Transparenz. „Genau das ist es, was sich gerade jüngere Menschen in Projekten wünschen“, ergänzt James Denk von Drees & Sommer. „Die kommende Generation interessiert sich nicht dafür, wie man gegeneinander kämpft, sondern wie man miteinander arbeitet. Und ein gut funktionierendes Projektteam ist für ein erfolgreiches Projekt entscheidend.“

Es brauche viel mehr gegenseitiges Vertrauen, sind sich alle Diskutanten einig. „Dafür muss sich grundlegend etwas ändern“, betont Rainer Haubenwaller. Von Pönalen in Verträgen sollte seiner Meinung nach künftig Abstand genommen werden, da sie mehr das Gegeneinander als das Miteinander fördern würden. „Wir müssen davon wegkommen und hin zu Anreiz- und Erfolgsmodellen kommen.“

Alte Rollenbilder aufbrechen
Für Gottfried Mauerhofer von der TU Graz ist es an der Zeit, traditionelle Rollenbilder der Bauwirtschaft aufzubrechen. „Wir brauchen eine andere Arbeitskultur, in der wir Nutzer schon frühzeitig mitnehmen und eine Planung der Planung.“ Im Mittelpunkt stehen für Mauerhofer Antworten auf die Frage, wie man künftig mit wenigen Ressourcen auskommt. „Es gibt immer weniger Menschen, die am Bau arbeiten wollen. Wir müssen die Jobs attraktiver machen und auch verstärkt Frauen und junge Menschen ansprechen.“

Mit Lean Management könnte hierbei viel geleistet werden, ist sich Reicher sicher: „Weil wir mit Lean die Transparenz und damit das Vertrauen in die Bauwirtschaft stärken. Uns eilt noch ein schlechter Ruf voraus, der längst überholt ist. Denn wir haben Top-Mitarbeiter und wollen Qualität liefern. Es täte uns gut, wenn das in den Köpfen aller Beteiligten ankommt.“