• Blog
  • Kreislauffähiges Bauen – Ressourcen und Kosten sparen im Bauprojekt
Blogbeitrag 26 / 08 / 2024
Lesedauer:
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sind kein Widerspruch

Kreislauffähiges Bauen – Ressourcen und Kosten sparen im Bauprojekt

In der heutigen Zeit mit ihren Herausforderungen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Artensterben, Umweltverschmutzung und unsicherer Versorgungslage wird Nachhaltigkeit für Unternehmen, egal welcher Branche und Grösse, immer wichtiger.Immobilien sind entscheidend für den erfolgreichen Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, da sie 40 % des weltweiten Energieverbrauchs ausmachen und einen vergleichbaren Anteil an Treibhausgasemissionen emittieren. Daher gewinnt in der Bauindustrie das Konzept des kreislaufgerechten Bauens zunehmend an Bedeutung. Sanieren statt neu bauen, Materialeinsparung und Wiederverwendung sind die Themen, die angegangen werden müssen. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Effizienz immer wichtiger werden, ist kreislauffähiges Bauen DER zukunftsfähige Ansatz für den Immobiliensektor. Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen, um Ressourcen zu schonen und die Kosten zu optimieren. 

Was sind wichtige Aspekte des Kreislauffähigen Bauens?

 

1. Nachhaltige Ressourcennutzung:

Kreislaufprinzipien ermöglichen eine effizientere Nutzung von Ressourcen. In Bauprojekten kann Material eingespart werden, zum Beispiel indem Bauherren auf Untergeschosse verzichten, Nebenflächen reduzieren oder Wandstärken verringern. Durch Wiederverwendung und Recycling können Materialien länger im System bleiben, was den Bedarf an neuen Rohstoffen reduziert. Bei neu eingesetzten Baumaterialien ist darauf zu achten, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwendet oderhochwertig recycelt werden können. In der Schweiz werden heute lediglich 14 % der Rohstoff-Abfälle als Sekundärrohstoffe weiterverwertet, ein sehr geringer Anteil.

2. Urban Mining: 

Urban Mining zielt darauf ab, vorhandene verbaute Rohstoffe bestmöglich zu verwerten. Gebäude und Infrastrukturen dienen als Rohstofflager. Ziel ist es, Rohstoffe aus diesen Lagerbeständen zu gewinnen, bevor der Abfall anfällt. Beim Abriss von Gebäuden fallen riesige Mengen an mineralischen Stoffen und auch viele Metalle, Holz und Kunststoffe an. Das Altmaterial fliesst bisher meist nur als Schüttgut in den Strassen- und Erdbau ein. Es findet ein sogenanntes Downcycling statt. Die Wiederverwendung ganzer Bauteile oder die Herstellung hochwertiger Recyclingbaustoffe ist bislang noch die Ausnahme. Ein Altbau mit zehn Wohneinheiten liefert durchschnittlich 1.500 Tonnen Material zur Wiederverwertung.

3. Treibhausgasreduktion: 

Bei Neubauten ist mit über 50 % die Graue Energie der Emissionstreiber in der CO 2-Bilanz. Graue Energie umfasst die Energie, die bei der Erstellung von Gebäuden durch Rohstoffgewinnung, Produktion der Baumaterialien, deren Transport und die Installation eingesetzt wird. Standardisierte Daten informieren über den CO 2-Gehalt eines Baumaterials. Über die Wahl von regionalen Unternehmen und Produkten können Emissionen durch kürzere Transportwege reduziert werden.

4. Modulare Bautechniken: 

Modulare Baukonstruktionen ermöglichen einen einfachen Austausch und die Wiederverwendung von Bauelementen. Flexible Raumprogramme und Umnutzungen lassen sich einfach umsetzen, ohne Abfall zu erzeugen. Die kürzere Installationszeit ermöglicht einen früheren Bezug.

5. Gesamter Lebenszyklus: 

Bei der Planung von Bauprojekten soll dergesamte Lebenszyklus berücksichtigt werden – nicht nur der Neubau, sondern auch Betrieb, Umbau und/oder Abriss. Hierbei spielen Flexibilität in der Konstruktion, Demontagemöglichkeit und der Schadstoffgehalt in den Baumaterialien eine grosse Rolle. Über Gebäude-Materialpässe sind die verbauten Materialien zu dokumentieren, um deren Wiederverwendung und deren finanziellen Wert einschätzen zu können.

Die Charta «Kreislauforientiertes Bauen» unterstützt als eine Vereinigung von grossen Bauherren dieselben Ziele. Sie will bis 2030 die Verwendung von nicht erneuerbaren Primärrohstoffen auf 50 Prozent der Gesamtmasse reduzieren, den Ausstoss grauer Treibhausgasemissionen erfassen und stark reduzieren und die Kreislauffähigkeit von Sanierungen und Neubauten stark verbessern. Insgesamt ist kreislauffähiges Bauen nicht nur eine verantwortungsvolle Entscheidung, sondern auch eine kluge Geschäftsstrategie. Es ermöglicht Kosteneinsparungen, verbessert das Image und trägt zur Nachhaltigkeit bei.

Kreislauffähiges Bauen bietet Unternehmen einen erheblichen Mehrwert, der über die ökologischen Aspekte hinausgeht. Hier sind einige der wichtigsten Vorteile:

 

Kostenersparnis: 

Unternehmen, die nachhaltig bauen, profitieren von einer längeren Lebensdauer ihrer Gebäude und reduzierten Kosten. DieWiederverwendung von bereits bestehenden Bauelementen und die Reduzierung von Abfall, Abtransport und Deponiekosten tragen dazu bei, die Gesamtkosten zu senken. Bauteil-Recycling kann sich auch langfristig auszahlen, insbesondere bei steigenden Rohstoffpreisen. Werden langlebige Materialien verwendet, können Unternehmer die Betriebskosten ihrer Gebäude senken. Weniger Instandhaltung und längere Nutzungsdauer tragen zu einer verbesserten Rentabilität bei.

Verbesserung des Images und der Reputation: 

Unternehmen, die sich für kreislauffähiges Bauen engagieren, demonstrieren ihre soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit. In einer zunehmend nachhaltigkeitsbewussten Gesellschaft verschafft die Implementierung von Kreislaufkonzepten einen Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die sich als Vorreiter in diesem Bereich positionieren, können neue Geschäftsmöglichkeiten erschliessen und ihre Marktposition stärken. Zudem gewinnen sie das Vertrauen von Kunden, Investoren und der Öffentlichkeit.

Einhaltung gesetzlicher Anforderungen: 

In vielen Ländern gibt es zunehmend strengere Vorschriften zur Nachhaltigkeit im Bauwesen. Das Klima- und Innovationsgesetz der Schweiz strebt Klimaneutralität bis 2050 an und setzt Treibhausgas-Verminderungsrichtwerte für Gebäude fest. Die gebäudebezogenen Emissionen müssen bis 2050 um fast 80 Prozent gegenüber dem Niveau von2015 gesenkt werden. Nur mit der Anwendung von Kreislaufprinzipien können diese Anforderungen erfüllt werden. 

Innovation und Technik: 

Der Fokus auf Wiederverwendung, Recycling und nachhaltige Materialien fördert innovative Lösungen von Unternehmen. Neue Bautechnologien, intelligente Materialien und digitale Ansätze können die Effizienz steigern und die Bauindustrie voranbringen. Innovative Technologien wie Building Information Modeling (BIM), digitale Planungstools und automatisierte Prozesse ermöglichen eine effizientere Nutzung von Ressourcen. Dadurch sinken die Baukosten und gleichzeitig steigt die Qualität der Ergebnisse.

Im neuen Bürogebäude Obere Waldplätze 12 in Stuttgart hat Drees & Sommer an ihrem Hauptsitz innovative, kreislaufwirtschaftliche Ansätze selbst umgesetzt und damit finanzielle Mehrwerte erzeugt. Durch eine besonders dünne Vakuumisolierung in der Fassade wurde Material eingespart. Die gesamte Gebäudehülle inklusive Fassaden-PV ist nur 210 mm dünn. Eine vergleichbare konventionelle Konstruktion wäre mindestens 400 mm dick. Im Inneren hat man so zusätzliche Nutzflächen im Umfang von über zehn Arbeitsplätzen geschaffen. Das innovative Energiekonzept legte die Basis für ein Plus-Energie-Gebäude, welches über ein Jahr mehr Energie erzeugt als verbraucht. Die Energiekosten im Betrieb fallen dadurch praktisch weg.

Jeder Entscheidungsträger aus privatem und öffentlichem Sektor sollte sich bewusst sein, dass nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen nicht nur ökologisch sinnvoll ist, sondern auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Die Kreislaufwirtschaft bietet gerade im Immobilien- und Bausektor technologische Chancen, Innovationen und neue Geschäftsmodelle. Es lohnt sich also, den Fokus auf den gesamten Lebenszyklus zu legen und zunehmend in Kreisläufen zu denken. 



Dieser Artikel wurde von Ivo Angehrn im Rahmen der Fachpublikation “Zukunft Energie” im August 2024 verfasst. Unter folgendem Link können Sie das PDF herunterladen.