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Mammutprojekt Corona-Impfzentren

© Images By Tang Ming Tung

Sehnsüchtig hat die Welt das Jahr 2020 über auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus gewartet. Auf Empfehlung der EU-Arzneimittelbehörde EMA hat die EU-Kommission der Zulassung des völlig neuartigen mRNA-Impfstoffes der Mainzer Firma Biontech und des US-Pharmakonzerns Pfizer dann im Dezember 2020 zugestimmt. In Deutschland startete die größte Impfaktion in der Geschichte der Bundesrepublik am 27. Dezember 2020. Vorab waren jedoch gewaltige Aufgaben zu bewältigen, um eine schnelle Inbetriebnahme der Impfzentren zu gewährleisten.

Durchgängige Kühlketten-Logistik

In der Zeit während der Zulassungsprüfungen wurde intensiv die komplexe Logistik und die Einrichtung der Impfzentren vorbereitet. Auch die private Wirtschaft war in diese Vorbereitungen eingebunden. Der neuartige mRNA-Impfstoff „BNT 162-b2“ ist ausgesprochen thermolabil und muss bei -70° Celsius gekühlt gelagert werden. Herstellerseitig wird er in Trockeneisboxen zunächst an 27 zentrale Lager im ganzen Land ausgeliefert und in Spezial-Kühlschränken gelagert. Den genauen Standort legt das Bundesgesundheitsministerium aus Sicherheitsgründen nicht offen. Von dort aus wird der Impfstoff anschließend an zentrale Impfzentren und Kreisimpfzentren sowie an mobile Impfteams verteilt. Voraussetzung ist, dass es an allen Standorten gesicherte Räume zur Lagerung gibt. Die Impfstoffe werden gemäß den aktuellen Planungen zu je etwa 1.000 Impfdosen geliefert – so ist er fünf Tage lang haltbar.

Impfzentren sollen Entlastung schaffen

Die Impfstrategie wurde von der Ständigen Impfkommission (STIKO) aufgrund einer Prioritätenregelung in sechs Stufen vorgeschlagen. Initial wird die BNT 162-b2-Impfung den Bewohnerinnen und Bewohnern von Senioren- und Altenpflegeheimen sowie allgemein allen Menschen über 80 Jahren angeboten, da diese ein hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe haben. Zeitgleich soll sich Klinikpersonal impfen lassen können, da es im täglichen Arbeitsumfeld vielen infizierten Menschen begegnet. Der Weg, die ersten sechs Monate die neuen Impfstoffe ausschließlich über ausgewiesene und völlig neu etablierte Zentren zu verteilen, ist strategisch wohl bedacht. Weder die kassenärztlichen Vereinigungen über Ihre niedergelassene Ärzteschaft noch die Kliniken sind aktuell in der Lage, dies zu leisten. Jedoch zeigt sich gerade, dass der Biontech-Impfstoff wohl einige Zeit bei Kühlschrank-Temperaturen gelagert werden kann – was seine Verimpfung in Arztpraxen erleichtern dürfte. Sowohl der ambulante als auch der stationäre Sektor sind mit der Aufrechterhaltung der medizinischen Routinedienstleistungen und der Zusatzbelastungen durch die Vielzahl der COVID-19-Patienten jenseits ihrer Belastungsgrenze. Dies wird sich erwartungsgemäß auch im ersten Quartal 2021 nicht oder nur sehr langsam bessern.

Struktur und organisatorischen Vorbereitung der Impfzentren

Die Lokalisation der Impfzentren wurde nach Bevölkerungsdichteaspekten umgesetzt. Mit 410 vollständig vorbereiteten Zentren war Deutschland bereits vor der Zulassung des Impfstoffes einsatzbereit. Über Öffentlichkeitskampagnen und über Hilfsorganisationen wurde das medizinische und Assistenz-Personal rekrutiert und eingewiesen. Hier haben Katastrophenschutzorganisationen wie das Technische Hilfswerk und die Bundeswehr unterstützt. So bereiten seit Mitte November 2020 zahlreiche THW-Kräfte technisch-logistische Unterstützungsleistungen für den Betrieb von Corona-Impfzentren vor und arbeiten deutschlandweit intensiv an der entsprechenden Errichtung und Inbetriebnahme. Ein Beispiel ist das hessische Eschwege, wo eine große Turnhalle zu einem Impfzentrum mit bis zu zehn Impfstraßen umgebaut und inzwischen in Betrieb genommen wurde. Zusammen mit der Betriebsorganisationsplanung wurde der gesamte Ablauf in Prozessschritte unterteilt und in den einzelnen Liegenschaften individuell umgesetzt. So erhalten Patienten beim Eintreffen einen genauen Ablaufplan über alle Stationen – von der administrativen Aufnahme über das Aufklärungsgespräch bis zur eigentlichen Impfung und einer Recovery-Area.

Bauliche Anforderungen an Impfzentren

In Hamburg ist das zentrale Impfzentrum in der Messehalle 3 entstanden, Schleswig-Holstein nutzt eine Jugendherberge. Grundvoraussetzung ist bei allen Standorten, ausreichend Platz für viele Menschen zu haben, die dennoch Abstand halten können und sich möglichst wenig begegnen. Die Corona-Basisregeln für den Alltag (AHAL-Regeln) sind gerade in den Zentren besonders wichtig. In der Regel wurden sehr große Räume wie Messe-, Sport und Industriehallen mit entsprechender Lüftungstechnik ausgewählt, um ausreichend Abstände waren zu können und der Ansteckung durch Aerosole entgegenzuwirken. Die Flächen sind großzügig und mit großem Abstand möbliert, Wartezonen mit Abstand und Hinweisschildern und Impfkabinen mit entsprechendem Aerosolschutz ausgestattet. Das Tragen von FFP-2-Masken ist für alle Beteiligten Pflicht. Die Wegeführung ist so angelegt, dass es keine Begegnungsprobleme gibt. Jeder Patient und seine Begleitperson werden hierüber nochmals besonders aufgeklärt und eigenes Sicherheitspersonal garantiert die Einhaltung aller Regeln.

Unterstützung durch Baubehörden

Für eine schnelle Errichtung der Impfzentren gilt in zahlreichen Bundesländern der Katastrophenfall, um die ansonsten langwierigen behördlichen Entscheidungswege zu beschleunigen. Häufig können Städte und Landkreise Impfzentren einrichten, ohne vorher eine entsprechende Baugenehmigung einholen zu müssen. Beispielsweise richteten Stadt und Landkreis Würzburg bis zum 15. Dezember 2020 zwei große Zentren ein und betreiben diese seit Januar 2021 gemeinsam auf der Würzburger Talavera und auf dem Flugplatz Giebelstadt. Abstriche bei der baulichen Sicherheit mussten trotzdem nicht in Kauf genommen werden: Sowohl das auf der Talavera aufgebaute Impfzentrum als auch der als Impfzentrum genutzte Hangar 3 auf dem Verkehrslandeplatz Giebelstadt sind bautechnisch überprüft worden und beide Standorte auf Standsicherheit und Brandschutz geprüft und für gut befunden worden. Auch alle Bau- und Brandschutzvorschriften werden natürlich eingehalten.

Der große Andrang an den Impfzentren zeigt: Es gibt viele Impfwillige. So viele Menschen zu impfen, dass das Virus zurückgedrängt und eine Rückkehr zum halbwegs normalen gesellschaftlichen Leben stattfinden kann, stellt nichtsdestotrotz einer Mammutaufgabe dar. Mit der Etablierung der Impfzentren wurde ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan.

Prof. Dr. med.
Christian Lackner

Director Healthcare Division
Drees & Sommer SE