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Veranstaltung „Grüne Wärmetransformation – Lösungen für Bestandsliegenschaften“

Die aktuellen Rahmenbedingungen sind bekannt. Der Klimawandel ist von uns Menschen verursacht und wir können die Auswirkungen, wie Dürren, Starkregenereignisse, Waldsterben oder Sturmfluten, nicht beherrschen. Wir können nur versuchen, die klimabeeinflussenden Emissionen verbindlich zu reduzieren und uns resilienter aufzustellen für die Klimaauswirkungen, die noch kommen werden. Gut möglich, dass wir die CO2-Emissionen irgendwann nicht nur zu begrenzen, sondern auch lernen müssen, sie auch wieder abzubauen, um die Erderwärmung zu begrenzen.

Die Energiewende, deren Fokus in den vergangenen Jahren vor allem auf der Stromerzeugung lag, erreicht nun den Gebäudesektor. Die Gebäude- und Immobilienwirtschaft sowie die Infrastruktur und Industrie haben den wesentlichen Anteil an den Klimaemissionen. Der Gebäudebestand soll nahezu klimaneutral werden, also auch bei der Wärmeerzeugung per saldo praktisch kein CO2 mehr ausstoßen. Man spricht daher auch von der „Grünen Wärmetransformation“. Im Gegensatz zur regenerativen Stromerzeugung liegen die wirtschaftlichen Lösungen für regenerative Wärmeerzeugungslösungen in Bestandsliegenschaften nicht auf der Hand. Es gibt verschiedenste Lösungsansätze und das Wissen über tatsächlich realisierte grüne Wärmetransformationslösungen und deren Betriebserfahrungen, welche aber noch ausbaubar sind.

Um das zu ändern hatten das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg, das Beratungsunternehmen Drees & Sommer, das Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Uni Stuttgart und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme aus Freiburg am 24. Oktober ins Haus der Wirtschaft in Stuttgart eingeladen zu einer Veranstaltung mit dem Titel:

„Grüne Wärmetransformation – Lösungen für Bestandsliegenschaften“.

Dabei ging es darum, die Wissenden zur „Grünen Wärmetransformation“ im Land Baden-Württemberg zusammenzubringen und durch Vorträge zu konkreten Lösungen und durch eine fachkundige Diskussion das Wissen zu vervielfältigen, um die „grüne Wärmetransformation“ im Ländle zu beschleunigen. Unter den 130 Teilnehmer:innen war das Who’s who der öffentlichen Hand und der Industrie, Planung und Beratung, Betreiber von Wärmenetzen, Wissenschaft & Forschung, ausführenden Firmen, Komponentenhersteller und Contractingfirmen.

Mit zehn Vorträgen zu konkreten Lösungen für die grüne Wärmetransformation in Bestandsliegenschaften, einer Podiumsdiskussion unter Einbeziehung des Auditoriums sowie neun Thementischen, an denen Expert:innen mit den Anwesenden sprachen, haben wir konkrete Lösungen und deren Umsetzung und Betriebserfahrungen diskutiert und Best-Practise-Erfahrungen ausgetauscht und analysiert.

UNSERE KEY TAKEAWAYS

Einführung und Begrüßung:

Prof. Kai Fischer, Ministerialdirigent im Finanzministerium von Baden-Württemberg, zeigte zu Beginn der Veranstaltung auf, dass zu den Liegenschaften des Bundeslandes rund 8.000 Immobilien mit etwa 12 Millionen Quadratmeter Gebäudefläche gehören. Die Bauwerke stammen aus unterschiedlichen Baujahren, ein Teil davon ist denkmalgeschützt. „Unsere Landesgebäude spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den CO2-Ausstoß der Landesverwaltung zu senken. Denn bei der Landesverwaltung gehen 80 Prozent der CO2-Emissionen auf die Landesgebäude zurück, also Hochschulen, Polizeipräsidien oder Finanzämter. Die Landesverwaltung soll bis 2030 nettotreibhausgas-neutral werden. Wie die Landesliegenschaften dazu beitragen, haben wir in unserem Energie- und Klimaschutzkonzeptzusammengefasst“, sagte Prof. Fischer.

Beispielsweise werde die Landesregierung künftig auf Heizöl zur Wärmeerzeugung verzichten und es in eigenen Heizzentralen bis 2028 durch erneuerbare Energieträger ersetzen. Fischer: „Auch Erdgas setzen wir bei neuen oder zu modernisierenden Anlagen nur noch in Ausnahmen ein. Genauso setzen wir auch den Ausbau von Blockheizkraftwerken beziehungsweise Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die fossile Brennstoffe nutzen, nicht fort.“

Im Energie- und Klimaschutzkonzept des Landes seien zahlreiche weitere Maßnahmen aufgeführt: Für die 58 nicht universitären Heizwerke mit einer Wärmeleistung von mehr als 1,0 Megawatt (MW) würden aktuell Machbarkeitsstudien erarbeitet mit dem Ziel einer klimaneutralen Wärmeerzeugung. Hierbei will auch die Landesregierung Baden-Württemberg den Einbau von Wärmepumpen deutlich ausbauen, wie Prof. Fischer, erläuterte. Photovoltaik (PV) auf den Landesdächern werde bis 2026 kräftig ausgebaut: So soll sich die PV-Fläche auf mindestens 250.000 m² verdoppeln und bis 2030 möglichst alle geeigneten Landesgebäude mit PV-Anlagen ausgestattet werden. Solarparks an Hochschulstandorten seien genauso angedacht wie die Überlassung geeigneter Flächen für Freiflächen-Photovoltaik.

Zusammenfassung der einzelnen Vorträge nach Themenblöcken:

Im ersten Themenblock „Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, Reallabore“ stellten Prof. Dr.-Ing. Konstantinos Stergiaropoulos und Dr.-Ing. Harald Drück, Universität Stuttgart IGTE, sowie Dipl.-Ing. Sebastian Herkel, Fraunhofer ISE, die notwendigen Wege zur Klimaneutralität anschaulich dar.

Im zweiten Themenblock „Eigentümer, Betreiber, Betrieb, Versorgungsoptionen – zur Transformation verpflichtet“ wurden von Dipl.-Ing. Torsten Wenisch, Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg, die Herausforderungen und die Eckpunkte zur Strategie für eine klimaneutrale Wärmeversorgung von 8.000 Landesgebäuden in Baden-Württemberg dargelegt. Zudem zeigte Dr.-Ing. Thomas Schild, Drees & Sommer, konkrete Transformationswege durch alternative Projektabwicklungsmodelle auf, die viel Zeit, Geld und auch Energie sparen könnten. Dr. Daniel Weiß, HBG Ingenieurplanung und Dienstleistungen, stellte organische Wärmenetze als ein Werkzeug zur Wärmewende vor.

In der Mittagspause konnten sich die Teilnehmer:innen an den folgenden neun Thementischen mit den Expert:innen austauschen:

  1. Gewerbliche Großwärmepumpen – Dr. Cordin Arpagaus, OST – Ostschweizer Fachhochschule IES
  2. Tiefengeothermie – Ing. Neil Farquharson, Erdwerk; Dr.-Ing. Markus Treiber, Drees & Sommer
  3. Kommunale Wärmeplanung – Natalie Schmid, Drees & Sommer
  4. BEW-Förderung – Stephan Breker-Isa, Drees & Sommer
  5. Grüne Wärmetransformation von Liegenschaften als Prozess, Vorgehensweise, Konzeption und Umsetzung, Abwicklungsmodelle – Dr.-Ing. Thomas Schild, Drees & Sommer
  6. Transformationspläne für Bestandsnetze – Dr.-Ing. Harald Drück, Universität Stuttgart IGTE
  7. Wärmetransformation in der Industrie – Martin Brüstle, HNL Leitung Stuttgart, ROM
  8. Betreiber Regeneratives Wärmenetz - Dr. Daniel Weiß, HBG Ingenieurplanung und Dienstleistungen
  9. Finanzierungsmodelle / Contractoren-/Betreiberausschreibungen – Dipl.-Ing. Leonardo Estrada, Drees & Sommer

Am Nachmittag ging es im dritten Themenblock um „Anlagenlösungen, Komponenten, Anlagenbauer, Systeme, Best Practice“. Dr. Cordin Arpagaus, OST – Ostschweizer Fachhochschule IES, gab einen guten Überblick über den Markt der Hochtemperatur-Wärmepumpen ab 500 Kilowatt (KW), und Dipl.-Ing. Jürgen Sautter, ROM, stellte Best-Practice-Beispiele umgesetzter Lösungen bei Industriekunden vor.

Im letzten Themenblock „Tiefengeothermie, Projekte, Betriebserfahrungen“ stellte Ing. Neil Farquharson, Erdwerk, die Planung von Tiefengeothermieprojekten und das geothermische Potenzial in Baden-Württemberg vor. Durch LTRDir. Christian Seeholzer, Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, Kompetenzzentrum Baumanagement Stuttgart, wurden die Historie, Erfahrungen und Aussichten für die Liegenschaft Pfullendorf und ihre Geothermieanlage dargestellt. Der letzte Vortrag von Dr. Thomas Kölbel, EnBW Energie Baden-Württemberg, zeigte die Tiefengeothermie am Beispiel von Bruchsal.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Prof. Dr.-Ing. Michael Bauer, Dr. Cordin Arpagaus, Dipl.-Ing. Torsten Wenisch, Dipl.-Ing. Jürgen Sautter, Dr. Thomas Kölbel und Prof. Dr.-Ing. Konstantinos Stergiaropoulos wurden unter Einbindung des Auditoriums die Chancen und die Hemmnisse der grünen Wärmetransformation in Bestandsliegenschaften diskutiert:

Um zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln, müssen der Gebäude- und Gebäudetechnikbestand gemeinsam mit der technischen Infrastruktur für Wärme, Strom, Abwasser und den vorhandenen Umweltenergien wie Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie, Grundwasser, Außenluft und sogar der E-Mobilitätsinfrastruktur ganzheitlich betrachtet werden. Gebäude sind hierbei über Photovoltaik auf dem Dach und in der Fassade ebenso Energieerzeuger und mit Speichern ausgestattet auch Energiemanager und zugleich vernetzte Energieverbraucher.

In Ballungsräumen und Bestandsliegenschaften ist zu erwarten, dass die zukünftige Fernwärme-Infrastruktur eher mit kühleren Vorlauftemperaturen auskommt. Größere Wärmetauscher, andere Trinkwassererwärmungssysteme und Wärmepumpensysteme, welche die kalte Fernwärme zum Heizen als Wärmequelle und zum Kühlen als Wärmesenke nehmen, stellen dann die Gebäudetechniken der Zukunft dar.

Die regenerativen Energiesysteme wie Photovoltaik auf dem Dach und in der Fassade, Geothermie für Heizen und Kühlen, Wärmepumpen oder Solarthermie sind technologisch ausgereift und bereits heute wirtschaftlich einsetzbar. Ob Wasserstoff irgendwann so kostengünstig und in der Menge zur Verfügung stehen wird, dass wir ihn zum Heizen nutzen können, ist derzeit Zukunftsmusik.

Über- und Unterkapazitäten von Energieerzeugung und Energieverbrauch werden im Netz intelligent gesteuert und untereinander ausgetauscht. Für die Vorausschau und Prognose können heute bereits maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz eingesetzt werden, um zu lernen, welche Steuerungsstrategie am effektivsten ist. Man spricht dann auch von smarten Stadtquartieren.

Als wesentliche Erkenntnis der Diskussion kann zusammengefasst werden, dass die erforderlichen Technologien für die grüne Wärmetransformation bereits zur Verfügung stehen. Inhaltlich belastbare Machbarkeitsstudien mit dem erforderlichen technischen Tiefgang bilden die Basis für die anstehenden grünen Wärmetransformationen. Und dann muss einfach auch mal angefangen werden. Die grüne Wärmetransformation ist eine Reise, deren Ziel man kennt. Es ist klar, dass sie sich über mehrere Jahre ziehen wird und dass es auf dem Weg gerade in Bestandsliegenschaften noch Änderungen geben kann, für die die technische Konzeption dann auch Lösungen anbieten können muss. Ein weiteres Warten ist jedoch keine Option.

Die Weichen sind gestellt. Eine klimaneutrale Zukunft ist wirtschaftlich machbar. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Packen wir es an.

Copyright: Maximilian Schwarz