Große Kliniken zeigen häufig mehr Qualität und Sicherheit für die Patienten

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Was die Klinikdichte angeht, zählt Deutschland im europäischen Vergleich eindeutig zu den Spitzenreitern. Insgesamt gibt es laut Deutscher Krankenhausgesellschaft derzeit rund 1.900 Kliniken in Deutschland, was mehr als 800 Betten pro 100.000 Einwohner entspricht. Damit liegt Deutschland rund 58 Prozent deutlich über dem EU-Durchschnitt. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Bettenkapazität in Deutschland nur um 11 Prozent vermindert. Länder wie Finnland oder Dänemark – nach wie vor bekannt für ihr qualitativ hochwertiges und sicheres Gesundheitssystem – reduzierten sie hingegen im gleichen Zeitraum um rund 40 Prozent.

Hohe Krankenhausdichte:  Komfortvorteil oder Strukturnachteil?

Prof. Dr. med. Christian Lackner teilt die Einschätzung, dass die schnelle Erreichbarkeit eines kleinen Krankenhauses nur ein vermeintlicher Vorteil für den Bürger auch in der Fläche darstellt. Wenn dort bei Eintreffen kein Facharzt verfügbar sei, habe die Klinik einen gravierenden und messbaren Qualitätsnachteil. Dies ist in vielen Kliniken in 70 % des Kalenderjahres täglich die gelebte Routine – und wird nicht bestritten. Zu diesen und weiterführenden Ergebnissen gelangte auch eine aktuelle Bertelsmann-Studie über die Krankenhausversorgung in Deutschland, die Mitte Juli veröffentlicht wurde und seitdem für sehr hitzige Diskussionen sorgt.

Mit nur halb so vielen Kliniken Patienten besser versorgen

Die Studienautoren der Bertelsmann-Stiftung empfehlen, zukünftig die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland zugunsten der personellen und medizintechnischen Ausstattung zu reduzieren und damit zu regionalisieren. Patienten in Deutschland könnten dieser Untersuchung zufolge mit weniger als der Hälfte der Krankenhäuser spürbar besser versorgt werden. Die Anzahl der Kliniken in Deutschland sollte gemäß den Autoren der Untersuchung von knapp 1.400 auf weniger als 600 sinken, da die verbleibenden Häuser dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung erhalten. Kleinen Kliniken fehlt häufig die nötige personelle und technische Ausstattung und Erfahrung, um rund um die Uhr lebensbedrohliche Notfälle wie einen schweren Unfall, Herzinfarkt oder einen Schlaganfall angemessen und vor allem zeit- und regelgerecht zu behandeln zu können.

Hinzu kommt: Nur in ausreichend großen Krankenhäusern können aktuell Facharztstellen rund um die Uhr besetzt werden und sichergestellt werden. Vor allem die Qualität der Notfallversorgung sowie Planbarkeit schwieriger Eingriffe und Operationen lassen sich so verbessern. Zudem kann der Mangel an Pflegekräften gemindert werden. Derzeit gibt es zu wenig medizinisches Personal, um die immense Klinikzahl aufrechtzuerhalten.

Zweistufiger Aufbau erhöht Sicherheit und senkt Kosten

Die Autoren der Bertelsmann-Studie schlagen einen zweistufigen Aufbau einer neuen Krankenhausstruktur vor. Neben Versorgungskrankenhäusern mit durchschnittlich 600 Betten könnte es etwa 50 Unikliniken/Maximalversorger und andere Regelversorger mit je 1.300 Betten geben. Aktuell hat ein Drittel der deutschen Krankenhäuser weniger als 100 Betten – was seitens der Betriebsökonomie und Aufrechterhaltung der medizinischen Qualität 24 Stunden pro Tag an 365 Tagen im Jahr mehr als anspruchsvoll scheint. Die Durchschnittsgröße der Kliniken liegt bei unter 300 Betten. Denn was die Betriebsökonomie angeht, ist und bleibt die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser in Deutschland absehbar prekär. Gemäß aktueller Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hat jede dritte Klinik 2017 – und auch in den Jahren zuvor – Verluste gemacht. Die sogenannten Rationalisierungsreserven sind mittlerweile ausgeschöpft und die Wirtschaftspläne auf Kante genäht.

Ambulant statt stationär

Ein nicht unerheblicher Grund für die hohen Kosten: Nach wie vor werden in Deutschland zu viele Menschen ins Krankenhaus stationär aufgenommen. So verwies das Bertelsmann-Forscherteam darauf, dass die Zahl der sogenannten Bettentage pro Einwohner in Deutschland um 70 Prozent über dem Durchschnitt der vergleichbaren EU-Länder liege. Eine Regionalisierung von klinischen Dienst- und Vorhalteleistungen ist ein Gebot der Stunde und hat sich in Skandinavien, vor allem in Dänemark und Schweden, aber auch in den Niederlanden messbar bewährt: Etwa fünf Millionen Patientinnen und Patienten pro Jahr könnten genauso gut ambulant behandelt oder operiert werden. Die Zahl der Krankenhausfälle ließe sich so bis 2030 auf 14 Millionen im Jahr senken.

Spezialisierung als Chance

Kurzum: Die Krankenhauslandschaft wird sich in den nächsten Jahren verändern müssen, um die geforderten hohen Qualitätsstandards gewährleisten zu können. Im Fokus steht initial die Zentralisierung komplexer Eingriffe und operativer Prozeduren. Schließungen müssen iterativ dosiert und in ein Gesamtkonzept eingebunden werden. Spezialisierungen können für kleinere Krankenhäuser eine Chance für den wirtschaftlichen, weiteren Betrieb bedeuten. Es wird aber nicht davor schützen, langfristig Krankenhäuser in der Fläche schließen zu müssen. Denn einige Häuser werden Qualitätsstandards mit der nötigen Expertise und Ausstattung im Sinne der Patientensicherheit nicht abbilden können.

Drees & Sommer gestaltet aktiv den Strukturwandel

Drees & Sommer ist aktuell verantwortlich und aktiv dabei, in großen Klinikorganisationen mit Beratung zu Fusions- und Restrukturierungsprojekten diesen Wandel zu gestalten. Eine Regionalisierung von klinischen Dienst- und Vorhalteleistungen ist ein Gebot der Stunde und hat sich in Skandinavien (v.a. Dänemark und Schweden) und einigen Beneluxstaaten (v.a. Niederlande) messbar bewährt. In Dänemark betreut man eine große Fusion/Regionalisierung und den Bau eines der neuen Zentralkrankenhäuser im Raum Kopenhagen.