Themendialog 01.02.2022

Zum Auftakt der Themenreise 2022 bekennen sich die Gäste zum gemeinsamen Handeln. Der Cradle-to-Cradle-Mitentwickler Prof. Michael Braungart sendet unmissverständliche Botschaften.

„Unternehmen unternehmen was“ – mit diesem Leitsatz begann Dierk Mutschler, CEO von Drees & Sommer, sein Grußwort beim Mittagsdialog zum Themenreise-Start 2022 im Vorfeld des Gipfeltreffens der Weltmarktführer in Schwäbisch Hall. Mutschler, der nicht weniger als die Revolution der Bauwelt im Sinn hat und dafür Verbündete sucht, lobte die Themenreise als Plattform der Willigen. Er sprach am Beispiel von Urban Mining über eine Zukunft, die teilweise schon Gegenwart ist, weil engagierte kooperativ denkende Partner die Köpfe zusammengesteckt haben.

„Die Zukunft ist so ungewiss wie lange nicht mehr. Wir brauchen ein Bild davon, wo die Reise hingeht. Wenn wir dieses Bild haben, haben wir einen Leitfaden. Dann können wir Back to the Future gehen.“

Dr. Burkhard Fritz Geschäftsführer, Unternehmerkraft Group

Rethink Electricity: Fokus auf den Kern

In seinem Impulsvortrag „‚Nachhaltig‘ erfolgreich“ berichtete Frank Stührenberg, CEO von Phoenix Contact, von der Ausrichtung des Traditionsunternehmens. Obwohl auch mit der Rezeptur der Vergangenheit noch äußerst erfolgreich, hat Phoenix Contact alle Weichen auf die Elektrifizierung gestellt – durch veränderte Strukturen und eine fokussierte Strategie. „Geschäftsmodelle, die nicht auf Nachhaltigkeit abzielen, haben kein überproportionales Potenzial mehr“, sagte er. Von „Veränderungsschmerzen“, wie er die aktuell teuren Energiepreise nannte, dürfe man sich nicht vom Weg abbringen lassen.

„Der Tipping Point ist überschritten. Wir sind zwar erst ganz am Anfang. Aber eine Umkehr bei der Energiewende wird es nicht mehr geben.“

Frank Stührenberg CEO, Phoenix Contact

Rethink Economy: Nützlich sein, nicht weniger schädlich

Für ein radikales Neudenken plädierte der EPEA-Gründer Prof. Michael Braungart. Er wusch jenen den Kopf, die das 1,5-Grad-Ziel für ausreichend erstrebenswert halten. „Es zu erreichen, bedeutet nur, dass wir den Planeten zwei Generationen später zerstört haben werden. Stattdessen sollten 2100 wieder so viele Treibhausgase in der Atmosphäre sein wie 1900“. Nützlich sein heißt für Braungart zum Beispiel: Nur Materialien und Nährstoffe verwenden, die sich in Kreisläufen zirkulieren lassen und Geschäftsmodelle so zu ändern, dass aus Produkten Dienstleistungen werden, die sich in Innovationszyklen verbessern lassen. 

„Nachhaltigkeitsabteilungen müssen Innovationsabteilungen werden, weil wir dann 40 Jahre Weltuntergang in Innovation, Qualität und Schönheit umsetzen können.“

Prof. Michael Braungart Gründer, EPEA

Reform Production: Potenziale erkennen und annehmen

Zum ersten von zwei Future Talks kamen Andreas Lederle (Initiative Wärmewende durch Geothermie), Patrick Schneckenburger (E.ON), Dr. Andrej Fischer (Comma Soft), Ferenc Ellermann (macom) und Alison Jones vom Spielzeughersteller Schleich zu einem Panel zusammen. Das Quintett diskutierte das riesige Potenzial des Bodenschatzes Geothermie, die Einbindung der motivierten Beleg- und der interessierten Kundschaft in Nachhaltigkeitsziele und über KI als Hebel für effizientere Prozesse. „Die KI kann in Daten Muster erkennen, die ein Mensch auf die Schnelle nicht erkennt. Sie kann umsichtiger planen. Aber eine KI ist nicht kreativ. Um auf neue Ideen zu kommen, brauche ich die menschliche Intelligenz“, betonte Dr. Andrej Fischer

Der Moderator Dr. Christian Herzog von bw-i, der Wirtschafts- und Wissenschaftsfördergesellschaft des Landes Baden-Württemberg und Gastgeber des Mittagsdialogs, bot an, seine Drähte in die Politik zu nutzen und Wünsche zu übermitteln. Das Podium ließ sich nicht zweimal bitten. Patrick Schneckenburger äußerte mit Blick auf Förderungsstrukturen in Deutschland: 

„Wenn gezielt die Sektorenkopplung gefördert wird und nicht nur einzelne Technologien, kann daraus ein Innovationstreiber entstehen.“

Patrick Schneckenburger Geschäftsführer, E.ON Energy Solution

Renew Construction: Fürs Morgen bauen

Norbert Philipp (Max Bögl), Stefan Kaufmann (Nemetschek), Dr. Patrick Bergmann (Madaster) sowie die digital zugeschalteten Dr. Jennifer Scheydt (Heidelberg Cement) und Johannes Semmler (Vereinigte Marmorwerken Kaldorf) widmeten sich im zweiten Future Talk der Bauwirtschaft. Sie sprachen über 3D-Druck, Modularisierung und Automatisierung, über altbewährte Baustoffe wie Holz, Kalkstein oder Baustahl und über künstliche Alternativen. Auch der Klimakiller Beton kam aufs Tapet, auf dessen Potenziale vor allem Dr. Jennifer Scheydt abzielte. Stichwort: Carbon Capture, die Abscheidung, Speicherung und Wiederverwertung von CO2.

Natürlich gibt es Hindernisse: Lieferkettenschwierigkeiten, das Hinterherhinken der Regulatorik – und das Mindset der Deutschen, wie Dr. Patrick Bergmann berichtete: „In den Niederlanden herrscht ein deutlich höherer Innovationsgeist als bei uns. Da wird nicht zuerst gefragt: Was kostet mich das? Da heißt es: Was habe ich davon?“

Fazit: Was vom Dialog übrigblieb

„Wir brauchen noch mehr Diskurs, mehr interdisziplinären und mehr fokussierten“ – so fasste Götz Schönfeld von Drees & Sommer die Erkenntnisse des Tages zusammen. Mit Verweis auf einen Werbespruch des Handelsblatts zur in der ganzen Welt bekannten „German Angst“ gab er als Ziel aus, stattdessen „German Zuversicht“ nach außen zu tragen. Die Themenreise bleibt eine Plattform der Willigen.  

Impressionen

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