Urbane Gebiete sind für den Großteil der globalen Emissionen verantwortlich. Dennoch machen die meisten Städte und Kommunen kaum Fortschritte dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele und die des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Was sie hindert und welche Lösungen es dafür gibt, haben die thinkstep AG und Drees & Sommer in ihrer gemeinsamen Studie „Bridging the Climate Gap“ untersucht. 15 europäische Städte, darunter Aarhus, Glasgow, Helsinki, München und die schwedische Stadt Växjö, haben die Experten analysiert. Eines der zentralen Ergebnisse lautet: Mehr als 60 Prozent der untersuchten Städte fehlt eine stärkere politische Unterstützung.
Welche Strategien und Maßnahmen verfolgen Städte und Kommunen für den Klimaschutz? Mit welchen Hindernissen und Möglichkeiten sind sie dabei konfrontiert? Und reichen die aktuellen Maßnahmen aus, um unter dem vom Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) empfohlenen Temperaturanstieg von 1,5°C zu bleiben und die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu verhindern? Diese Fragen stehen im Fokus der Studie „Bridging the Climate Gap“ von Martin Blumberg, VP Sustainable Building & Construction bei der thinkstep AG, und Gregor Grassl, Stadtplaner, Fachplaner Energieeffizienz und Teamleiter Blue City bei Drees & Sommer. Sie basiert auf Interviews und Umfragen mit den Vertretern der städtischen Verwaltungen sowie weiteren empirisch abgeleiteten Fakten.
Mehr politische und finanzielle Unterstützung erforderlich
Insgesamt geben alle in der Studie untersuchten Städte an, von den Folgen der globalen Erwärmung betroffen zu sein und betrachten die Auswirkungen des Klimawandels als relevant für ihre Städte. Gleichzeitig fühlen sich nicht alle gleichermaßen zum Handeln gezwungen. Mehr als 60 Prozent der Städte fehlt derzeit eine stärkere politische Unterstützung, obwohl sie diese für notwendig halten. "Wenn Sie Politiker fragen würden, würde niemand sagen, dass ihnen die CO2-Einsparung egal ist. Ich glaube jedoch, dass dies in der Praxis nicht die oberste Priorität hat", so Martin Blumberg.
40 Prozent der befragten Städte sind zudem der Ansicht, dass sie nicht über administrative Strukturen für multidisziplinäre Klimaschutzmaßnahmen verfügen. In Bezug auf die Finanzierung antwortet 70 Prozent der Städte, dass ihnen die finanziellen Mittel fehlen, um ehrgeizigere Klimaschutzziele zu verfolgen. Was Know-how und Leistungsfähigkeit angeht, geben zwei Drittel der untersuchten Städte einen Mangel an Personal mit richtigen technischen Fähigkeiten an. Noch mehr sehen einen Mangel an Bildung, Beratung und Ausbildung als Hindernis. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass wir mehr Mut und ganzheitliche Kompetenz zur Dekarbonisierung unserer Gesellschaft und Industrie brauchen. CO2-arme Technologien sind unsere Geschäftsmodelle von heute und schaffen den Wohlstand von morgen“, so Gregor Grassl.
Um bei der Erhebung ein einheitliches Stimmungsbild zu erhalten, erarbeiteten die Verfasser kritische interne und externe Erfolgsfaktoren für ein effektives Klimaengagement, wie zum Beispiel multidisziplinäre Zusammenarbeit, Commitment, Finanzierung oder regulatorische Rahmenbedingungen.
Växjö und British Columbia als positive Beispiele
In ihrer Studie identifizierten Drees & Sommer und die thinkstep AG auch Kriterien und Hebel, die Städten helfen, klimafreundlicher und lebenswerter zu werden. Darauf basierend entwickelten die Verfasser ein Rahmenmodell und eine operative Beratungsinitiative, um Städte und Kommunen auf ihrem Weg zur Erreichung des 2°C-Ziels zu unterstützen. Einzelne Maßnahmen könnten dabei die Entwicklung und Umsetzung kreislauffähiger Gebäude, zukunftsfähiger Mobilitätskonzepte oder alternativer Finanzierungsmethoden sein.
Die Ergebnisse der Studie werden anhand einer Fallstudie zur schwedischen Gemeinde Växjö belegt. Die mehrfach ausgezeichnete Stadt zeigt, wie die frühe und breite Einführung von Strategien und Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion zum wirtschaftlichen Wachstum und Wohlstand führen kann. In einer weiteren Fallstudie zur kanadischen Provinz British Columbia zeigt Bridging the Climate Gap zudem, wie sich 182 Gemeinden auf ein gemeinsames Klimaziel ausrichten können.