Landratsamt Rems-Murr setzt mit Drei-Zonen-Flächenkonzept neue Maßstäbe für die öffentliche Verwaltung

© BK2H Architekten
Das neue Verwaltungsgebäude des Landratsamts Rems-Murr in Waiblingen ist zukünftig in einen öffentlichen Bereich mit Servicepunkt, einen halböffentlichen Bereich mit Beratungsräumen sowie einen internen Bereich mit Arbeitsplätzen unterteilt.
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Im öffentlichen Bereich befindet sich zukünftig für jedes der drei Ämter ein Servicepunkt als erste Anlaufstelle.
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Termine finden zukünftig nicht mehr in den Büros der Mitarbeitenden statt, sondern in Räumen, die in Ausstattung, Größe und Diskretionsmaß zu den jeweiligen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger passen.

Waiblingen, 19. Mai 2023. Zentrale Servicestellen, ein professioneller Beratungsbereich und Arbeitsplätze ohne Besucherverkehr: Das neue Verwaltungsgebäude des Landratsamts Rems-Murr in Waiblingen ist nach einem Drei-Zonen-Prinzip in einen öffentlichen, einen halböffentlichen sowie einen internen Bereich unterteilt. Mit dem besonderen Nutzungskonzept geht der Landkreis neue Wege und schafft ein Vorzeigeprojekt für die moderne öffentliche Verwaltung in Deutschland. Das Raum- und Nutzungskonzept hat das Landratsamt gemeinsam mit dem Stuttgarter Beratungsunternehmen Drees & Sommer SE entwickelt, welches den Landkreis seit 2017 zur Gesamtimmobilienstrategie berät. Am 17. Mai wurde der Neubau offiziell eingeweiht.

Das neue Verwaltungsgebäude in der Rötestraße ist ein erster Baustein der Gesamtimmobilienkonzeption des Rems-Murr-Kreises am Standort Waiblingen. Künftig soll es nur noch zwei große anstelle der bislang zehn kleinen Verwaltungsstandorte in Waiblingen geben. Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit wurde der Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Ludwig-Schlaich-Akademie am 17. Mai von Landrat Dr. Richard Sigel eingeweiht.

Der Neubau mit Tiefgarage nach einem Gebäudeentwurf von BK2H Architekten umfasst rund 3600 Quadratmeter Nutzfläche. Künftig sind hier das Ausländeramt, das Ordnungsamt und das Gesundheitsamt ansässig. Die rund 170 Mitarbeitenden der drei Ämter bearbeiten besonders vertrauliche, emotionale und zuweilen auch sicherheitsrelevante Anliegen. Diesen trägt das neue Raumkonzept Rechnung, das die Flächen nach einem Drei-Zonen-Prinzip in einen öffentlichen, einen halböffentlichen und einen internen Bereich unterteilt.

„Nicht erst die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie schwierig es ist, den Besucherverkehr unter schwierigen Rahmenbedingungen auf Ämtern zu regeln. Bereits die Erkenntnisse aus der Flüchtlingskrise 2015/16 haben mir gezeigt, dass Abläufe in einer Verwaltung von Grund auf neu gedacht werden müssen“, erklärt Landrat Dr. Richard Sigel. „Gemeinsam mit Drees & Sommer haben wir daher das Ziel, als Verwaltung moderner, digitaler und insgesamt intelligenter zu werden, von Beginn an in die Planung des neuen Verwaltungsgebäudes einfließen lassen. Mit dem Drei-Zonen-Prinzip bieten wir den Bürgerinnen und Bürgern ein professionelles Beratungsumfeld und unseren Mitarbeitenden zukunftsfähige Räumlichkeiten, in denen sie sicher und effizient arbeiten können. Das neue Raumkonzept schafft zudem Flexibilität und denkt die Abläufe bis hin zur Mobilität der Mitarbeitenden mit dem Fahrrad neu. Neue Arbeitsmodelle mit Home-Office und hohen Teilzeitquoten können ebenfalls optimal berücksichtigt werden.“

Drei-Zonen-Prinzip sorgt für Effizienz und Sicherheit

Im öffentlichen Bereich befindet sich zukünftig für jedes der drei Ämter ein Servicepunkt als erste Anlaufstelle für Besucher:innen mit oder ohne Termin. Zahlreiche Fragen und Anliegen können hier direkt bearbeitet werden. In vielen Fällen erübrigt sich damit ein Termin beim Fachbereich, was den Bürger:innen Zeit spart und die Fachbereiche entlastet.

In der zweiten, halböffentlichen Zone befindet sich der Beratungsbereich. „Termine finden zukünftig nicht mehr in den Büros der Mitarbeitenden statt, sondern in Räumen, die in Ausstattung, Größe und Diskretionsmaß zu den jeweiligen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger passen“, sagt Sven Mylius, Senior Manager bei Drees & Sommer und verantwortlicher Berater für das Konzept. Neben kleinen Räumen für Einzelgespräche gibt es Räume mit extra viel Platz für Kinderwagen sowie größere Räume für Besuchergruppen und Familien. „Auch das Warten auf den Fluren, wie es häufig in Verwaltungsbauten praktiziert wird, hat in Waiblingen ein Ende. Dafür gibt es extra ausgewiesene Warteräume mit hoher Aufenthaltsqualität“, so Mylius. Für hochansteckende Personen hält das Gesundheitsamt einen abgetrennten Wartebereich bereit, außerdem ärztliche Untersuchungs- und Beratungsräume mit diskretem Zugang. Insgesamt soll es jedoch dank eines neuen Terminvergabesystems kaum noch Wartezeiten für die Bürger:innen geben.

Weitere Flächen mit besonderer Ausstattung befinden sich im Bereich des Ordnungsamtes: Damit scharfe Waffen aus Erbnachlässen sicher abgegeben werden können, wurden in dafür vorgesehenen Abschnitten Maßnahmen zur Schusssicherheit getroffen.

Papierarmes Arbeiten und Desk Sharing im internen Bereich

Zur Zone 3, dem internen Bereich, haben ausschließlich die rund 170 Mitarbeitenden Zugang. In diesem Bereich ohne Besucher- und Bürgerverkehr befinden sich die Arbeitsplätze. „In traditionellen Verwaltungsgebäuden kann sich meist jeder uneingeschränkt durch das gesamte Gebäude bewegen. Wartebereiche befinden sich oft auf den Fluren und nicht selten empfangen die Mitarbeitenden Besucher:innen an ihrem Arbeitsplatz. Aus Sicht des Datenschutzes birgt dies ein hohes Risiko und bietet den Mitarbeitenden zudem keinen Schutz vor Übergriffen, die bundesweit leider immer häufiger vorkommen“, berichtet Arbeitswelten-Experte Sven Mylius. „Das Drei-Zonen-Prinzip erhöht sowohl die Sicherheit der Mitarbeitenden als auch das Level an Diskretion und Datenschutz.“

Das Konzept verzichtet auf Einzelbüros und setzt auf geteilte Arbeitsplätze, das sogenannte Desk-Sharing – und das über sämtliche Hierarchieebenen hinweg. Dazu war zunächst eine umfangreiche Bestandsaufnahme notwendig: Welche Bedürfnisse, Gewohnheiten und Anforderungen haben die späteren Gebäudenutzer in Bezug auf ihre Arbeitsplätze? Wer ist wann vor Ort beziehungsweise außer Haus, wer telefoniert viel? Diese Punkte wurden im Rahmen der Workshops mit den externen Expert:innen detailliert erfasst und darauf aufbauend eine Desk Sharing-Quote errechnet.

Für verschiedene Tätigkeiten können die Mitarbeitenden nun zwischen unterschiedlich ausgestatteten Arbeitsplätzen wählen. Dass dies hervorragend funktioniert, lebt Landrat Dr. Richard Sigel schon seit einer Weile vor: Er hat sein Einzelbüro bereits vor einigen Jahren abgegeben. Zur Umsetzbarkeit trägt bei, dass auf den Ämtern beinahe papierlos und weitgehend mit elektronischen Akten gearbeitet wird. Für Kommunikation und Begegnung der Mitarbeitenden sind im internen Bereich sowohl Räume für formelle Besprechungen als auch Orte für den informellen Austausch vorgesehen. Dazu zählen Multifunktionsräume und kleine Cafés, die an den Schnittstellen zwischen den Ämtern eingeplant sind und den ämterübergreifenden Austausch fördern sollen.

In rund 15 Workshops hat das Experten-Team von Drees & Sommer mit den Mitarbeitenden und der Führung des Landratsamtes die Nutzeranforderungen an das neue Gebäude erarbeitet und diese in enger Abstimmung mit den Architekten in die Grundrisse einfließen lassen. „Die Vision hinter dem neuen Nutzungs- und Arbeitskonzept, seine Ziele und Leitplanken gelten zukünftig für alle neuen Vorhaben des Landratsamtes“, so Landrat Dr. Richard Sigel.