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Blogbeitrag 16 / 09 / 2025
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Wie sich Städte und Landkreise vor Hochwasser schützen können

Das Schwammstadt-Konzept

Ein Schwamm nimmt Wasser auf und lässt es erst auf Druck wieder los. Das Prinzip ist Leitbild für ein Konzept, das den Auswirkungen des Klimawandels begegnet – indem es Böden ihre natürliche Funktion zurückgibt.   

Starkregenereignisse gab es schon immer. Auch in Deutschland. Doch die Heftigkeit und die Folgen des Extremwetterphänomens nehmen zu. „Starkregen ist besonders tückisch, weil er spontan und punktuell niedergeht – und dadurch schwer planbar ist“, sagt Gregor Grassl, Experte für klimafreundliche Stadtentwicklung bei Drees & Sommer. Innerhalb kurzer Zeit treffen riesige Regenmengen im urbanen Raum auf versiegelte Böden, die das Wasser nicht ausreichend aufnehmen können. Der Deutsche Wetterdienst erklärte daher schon 2019 zu seiner 13. Klimatagung Prävention zum Gebot der Stunde.

Seit dem 1. Juli 2024 ist in Deutschland das Klimaanpassungsgesetz in Kraft. Es macht Prävention zur Pflicht. Bund, Länder und Kommunen sind aufgerufen, Strategien und Konzepte zu entwickeln, um den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Ein Kernanliegen des Gesetzes ist die Entsiegelung von Böden, damit die ihren natürlichen Funktionen wieder gerecht werden. Genau das ist das Ziel des Schwammstadt-Konzepts.

Was ist das Schwammstadt-Prinzip?

Hauptzweck einer Schwammstadt ist es, Überflutungen zu vermeiden. Zu denen kann es bei Starkregen schnell kommen. Denn die Keller, U-Bahn-Schächte und Kanalisationen, in die das Wasser ungebremst fließt, sind dem Extremwetter gegenüber nicht gewappnet. Schwammstädte simulieren natürliche Wasserkreisläufe und fangen Regenwasser mithilfe innovativer technischer Maßnahmen auf. Dazu braucht es die Entsiegelung: weniger Asphalt, Beton und dicht verlegten Pflastersteinen und mehr Grünflächen, die Regen wie ein Schwamm aufnehmen können.

Das gewonnene Wasser lässt sich entweder speichern und nutzen. Oder es darf versickern und das Grundwasser auffüllen. Der Anteil des Wassers, der verdunstet, sorgt für ein kühleres örtliches Klima. Der Schutz vor Hitze und die verbesserte Luftqualität sind angenehme Nebeneffekte von Schwammstädten.

Schwammstadt-Maßnahmen

Lange Zeit galten Dämme als wirksamer Hochwasserschutz. Heute gelten Dämme sogar als kontraproduktiv. Sie schränken den natürlichen Wasserfluss ein und leiten das Wasser unkontrolliert ab. Die Folge: Sie verschärfen die Gefahr von Überschwemmungen an anderer Stelle. „Wir sollten in Siedlungsräumen das Wasser stattdessen gezielt bremsen und puffern”, rät Gregor Grassl.  

Mittel der Wahl sind Parks, Grünzüge und urbane Freiflächen, die als Retentionsflächen dienen, notfalls also geflutet werden könnten. Wasserdurchlässigere Alternativen zu Asphalt und Beton sind beispielsweise Rasengittersteine, Natursteinpflaster mit breiten, offenen Fugen und Kies.

Über allem steht eine strategische Planung, wie sie das Klimaanpassungsgesetz von den Kommunen verlangt. Experten wie Gregor Grassl empfehlen, die blau-grüne Infrastruktur zu stärken, die die Grünflächen, Wassermanagement und moderne Technik miteinander kombiniert. Um Kosten zu sparen und Synergien zu nutzen, sollten bei der Stadt- und Bauleitplanung Schutzmaßnahmen gegen Starkregen rechtzeitig mitbedacht werden. „Das kann auch einen gestalterischen Mehrwert haben: Rückhalteflächen können gleichzeitig Parks, Spielplätze oder Aufenthaltsräume sein”, sagt Grassl.

  • Laut der jüngsten Analyse der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder waren im Jahr 2023 in Deutschland 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche versiegelt. Innerhalb von 30 Jahren nahm die Bodenversiegelung im Land demnach um insgesamt 5.594 km² zu.
  • 2,6 Milliarden Euro an versicherten Schäden (also an Schäden, die durch Versicherungspolicen gedeckt waren) entstanden in Deutschland im Jahr 2024 durch Starkregenereignisse und Überschwemmungen. Das sind rund eine Milliarde Euro mehr als im langjährigen Durchschnitt. Die Zahlen gehen aus der Naturgefahrenstatistik des Gesamtverbands der Versicherer hervor.
  • In rund acht Monaten Bauzeit entsiegelte Paris zwischen Oktober 2024 und Juni 2025 seinen Rathausplatz, den Place de l'Hôtel de Ville. Auf 2500 Quadratmetern Fläche entstand ein Stadtwald mit 50 großen Bäumen und 20.000 Sträuchern und Farnen.

Welche Beispiele gibt es für Schwammstadt-Konzepte?

Wie Schwammstadt-Konzepte in der Praxis aussehen können, belegen zwei Projekte, an denen die Expert:innen von Drees & Sommer für die Klimaanpassung und fürs Regenwassermanagement beteiligt waren: die Campusentwicklung an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg und die Entwicklung eines neuen Klimaanpassungskonzepts für den Landkreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz.

Im Osten Hamburgs baut die Universität ihren bestehenden Campus für derzeit etwa 2500 Studierende und mehr als 1000 Mitarbeitende im laufenden Betrieb um – aktives Wassermanagement inklusive. Das gewonnene Wasser will die Hochschule nutzen, um die Biodiversität auf dem Gelände zu fördern.

Der Landkreis Cochem-Zell liegt zwischen Osteifel und Hunsrück, die Mosel fließt mitten durch ihn hindurch. Überschwemmungen sind die Menschen des Landkreises zwar gewohnt, doch die Gefahr von Sturzfluten ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Cochem-Zell will seine Rückhalteflächen deswegen ausbauen oder optimieren. Gegen Hitzewellen und steigende Temperaturen will sich der Landkreis zusätzlich beispielsweise mit begrünten Dächern und Fassaden wappnen. Er verspricht sich durch die kombinierten Maßnahmen unter anderem ein verbessertes Mikroklima.

Vor- und Nachteile einer Schwammstadt

Den positiven Effekten einer Schwammstadt – geringere Gefahren von Überflutungen, ein nachhaltigeres Wassermanagement, eine höhere Biodiversität und eine verbesserte Lebensqualität – stehen einige Herausforderungen gegenüber. Es braucht Zeit, Schwammstädte zu schaffen. Es braucht viel Platz, der in dicht besiedelten Gebieten nicht immer zur Verfügung steht. Und die Umsetzungskosten sind nicht zu unterschätzen. Doch schon sukzessive Aktionen können dazu beitragen, dass durch Starkregen und Überflutungen keine noch weitaus höheren Schäden entstehen.

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