„SCHEUKLAPPEN AUFSETZEN WAR NOCH NIE EINE SINNVOLLE STRATEGIE“

Interview mit Dr. Frank Schmidt, Geschäftsführer der ITK Engineering GmbH

Dr. Frank Schmidt ist promovierter Elektrotechniker. Seit 2021 verantwortet er als Geschäftsführer das Bosch-Tochterunternehmen ITK Engineering GmbH. Seine Fokusthemen sind Digital Engineering, End-to-End-Lösungen sowie Business Incubation. Zudem ist er seit 2016 Mitglied der Geschäftsführung der Bosch Engineering GmbH. Seine Laufbahn begann er in der Bosch-Gruppe in der Entwicklung von Karosserie-Steuergeräten. Es folgten unterschiedliche Stationen, u. a. war er drei Jahre in Australien für Vertrieb und Entwicklung der Automobilelektronik verantwortlich. 

Drees & Sommer: Herr Schmidt, warum ist die Digitalisierung für alle Branchen so wichtig?

Frank Schmidt (FS): Gerade im vergangenen Jahrzehnt hat die Digitalisierung unser tägliches Leben auf ein neues Level gehoben. Wer heute ein Produkt kauft, erwartet digitale Features und eine reibungslose Einbindung in den eigenen, digitalen Alltag. Das hat Konsequenzen für Unternehmen aller Branchen, ob B2B oder B2C. Sie müssen die digitalen Erwartungen ihrer Kunden treffen. Zeitgleich profitieren Unternehmen von der Digitalisierung in Sachen Effizienz, Produktivität und Beherrschbarkeit von Komplexität. Das geht von der automatisierten Fertigung in der Fabrik über die Auswertung von Nutzerdaten auf Online-Shops bis zum intelligenten OP-Roboter im Krankenhaus.

D&S: „ITK. The Art of Digital Engineering“ ist Ihr Leitmotiv. Damit adressieren Sie explizit die Bedeutung der Digitalisierung. Was steckt dahinter?

FS: Seit Jahren ist „Digital Engineering“, also die Verknüpfung von Informationstechnologie und Ingenieurswissenschaften, die Kernkompetenz von ITK Engineering. Im Fokus stehen digitale Tools und Methoden, die domänenübergreifende Zusammenarbeit sowie eine permanente Betrachtung des Gesamtsystems anstatt einzelner Komponenten. „Art“, also „die Kunst“ steht für maßgeschneiderte, einzigartige und kreative Lösungen jenseits des Gewöhnlichen anstelle von Standardkonzepten. Für uns ist klar: Die Möglichkeiten der Digitalisierung sind sowohl im Engineering als auch für die Gesellschaft an sich extrem groß und heute in ihrer Gesamtheit noch kaum zu beurteilen. Wir brauchen ein sehr achtsames Bewusstsein dafür, wie wir mit Risiken der Digitalisierung umgehen. Wie handhaben wir den Umgang mit Daten, wie machen wir Systeme sicher vor Angriffen, wie helfen wir, dass sich niemand von der Digitalisierung abgehängt fühlt? Je besser unsere Antworten, desto mehr gilt: Digitalisierung ist eine Chance und keine Bedrohung!

D&S: ITK wurde vor 30 Jahren in Rheinland-Pfalz gegründet und ist heute weltweit aktiv. Was macht Deutschland als Standort für Sie auch zukünftig noch attraktiv?

FS: Wir sind uns unserer Wurzeln bewusst. Viele unserer Kunden und Kooperationspartner sind deutsche Unternehmen, Universitäten und Forschungsinstitute. Bei aller Kritik ist Deutschland als Wirtschaftsstandort noch immer hochattraktiv. „Made in Germany“ und die „gute alte deutsche Ingenieurskunst“ sind starke, weltweit beachtete Label. Deshalb wird für uns der deutschsprachige Raum immer entscheidend sein, um das Engineering von Morgen weiterzuentwickeln.

D&S: Die Industrie befindet sich im Spannungsfeld zwischen Klimaschutz, Ressourcenschonung und Energiewende. Wie gelingt eine Balance zwischen ökologischen Zielen und ökonomischer Leistungsfähigkeit?

FS: Ein Unternehmen kann heute wirtschaftlich und gesellschaftlich nur erfolgreich sein, wenn es Nachhaltigkeitsaspekte ernst nimmt und zum Teil der Unternehmensstrategie macht. Der Klimawandel betrifft jeden von uns und verlangt von jedem eine Antwort. Wir bei ITK helfen mit digitalen Lösungen, Technologien und Prozesse effizienter zu machen und dadurch Emissionen einzusparen, beispielsweise in der Mobilität, der Industrie oder in Gebäuden.

D&S: Wie schätzen Sie Ihre Rolle im europäischen Engineering-Markt ein und wie positionieren Sie sich gegenüber Ihren internationalen Wettbewerbern?

FS: Man muss anerkennen: Im Engineering-Bereich gibt es auf internationalem Parkett viele Wettbewerber, die gut aufgestellt sind. Was uns besonders macht: wir arbeiten seit Jahren in unterschiedlichsten Branchen wie Automotive, Industry, Healthcare oder Rail und kennen uns mit Kundenanforderungen und spezifischen Gegebenheiten detailliert aus. Wir arbeiten plattformunabhängig. Daneben verfügen wir über eine umfangreiche Methodenexpertise, von Embedded Software über KI bis hin zu Cloud Computing. Das hebt uns von vielen unserer Wettbewerber ab.

D&S: „Das Geheimnis des Wandels besteht darin, seine ganze Energie nicht auf den Kampf gegen das Alte, sondern auf den Aufbau des Neuen zu richten“, sagte bereits Sokrates. Welche Impulse setzen Sie, um neue Wege zu gehen?

FS:Es ist unser Selbstverständnis, Wandel als Chance zu sehen, uns kontinuierlich weiterzuentwickeln und neue Kompetenzen aufzubauen. Wir haben viele Mitarbeitende, die seit über 20 Jahren im Unternehmen sind und die Entwicklung unserer Organisation genauso miterlebt haben wie die Veränderungen am Markt. Nicht mitzuschwimmen, sondern das Engineering, die Art des Entwickelns, selbst mitzugestalten – das treibt uns an und macht uns erfolgreich.

D&S: Wie fördern Sie eine innovative und kreative Unternehmenskultur, die bereit ist, Veränderungen anzunehmen und Risiken einzugehen?

FS: Die Kultur einer Organisation ist etwas sehr Komplexes. Sie ist nicht auf Knopfdruck da, sondern muss sich entwickeln und von der Belegschaft gelebt werden. Wir bei ITK sind überzeugt davon: unser höchstes Gut sind unsere Mitarbeitenden. Unsere Werte haben sich über Jahre entwickelt und gefestigt. Sechs Schlagworte stehen im Mittelpunkt: Mut, Vielfalt, Begeisterung, Verantwortung, Vertrauen und Anpacken. Diese Werte machen ITK Engineering aus und helfen uns, mit volatilen Rahmenbedingungen umzugehen und uns selbst als Organisation immer treu zu bleiben.

D&S: Wie wichtig sind auf diesem Wege Kooperationen und Netzwerke?

FS: Viele der Herausforderungen, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht, sind so komplex, dass sie von Einzelnen nicht mehr gelöst werden können. Scheuklappen aufsetzen war noch nie eine sinnvolle Strategie. Es ist entscheidend, die richtigen Partner zu finden, um die passenden Kompetenzen zusammenzubringen, Sichtweisen zu ergänzen und Kräfte zu bündeln – nicht nur in der Engineering-Branche.