Führung beginnt bei Selbstführung

Interview mit Frank Kübler, Geschäftsführer der SYNK GROUP und CEO der Leada AG

neext: Frank, der globale Wettbewerbsdruck steigt, technologische Veränderungen wie Künstliche Intelligenz verändern den Alltag rasant, die Arbeitswelt ist im Umbruch – Unsicherheit ist vielerorts spürbar. Was bedeutet in dieser Lage „Resilienz“ für Unternehmen, und wie gelingt es Führungskräften, Menschen trotz dieser Unsicherheiten mitzunehmen?

Kübler: In einer Zeit, in der Transparenz und Informationsdichte enorm zugenommen haben, ist es wichtiger denn je, Mitarbeitende ernst zu nehmen und ihnen offen zu begegnen. Das bedeutet: Wir müssen offen über die Situation sprechen, Herausforderungen benennen und Ziele klar formulieren. Nur so schaffen wir Vertrauen. Dabei geht es nicht nur um eine schöne Kommunikation, sondern um echte Teilhabe. Veränderung gelingt heute nicht mehr top-down – wir brauchen den Beitrag jedes Einzelnen. Führungskräfte müssen einen Rahmen setzen, Orientierung geben, aber gleichzeitig den Raum für Beteiligung schaffen. Das gelingt, wenn wir den Sinn und die Werte des Unternehmens betonen. Gerade in Krisenzeiten suchen Menschen Halt – und dieser Halt kann durch wertebasierte Führung entstehen.

neext: Ihr sprecht in eurer Arbeit davon, dass Führung bereits dann beginnt, wenn jemand Verantwortung übernimmt – unabhängig von der Hierarchiestufe. Was heißt das für den klassischen Führungsbegriff?

Kübler: Der Begriff „Führung“ wird heute deutlich weiter gefasst als früher. Es geht nicht mehr allein um disziplinarische Macht oder die Rolle einer Führungskraft. Vielmehr sprechen wir von Selbstführung: Wer sich selbst reflektiert, Verantwortung übernimmt und seinen Beitrag zum großen Ganzen sieht, der führt – auch ohne Titel. Das bedeutet auch, dass Führung im Team entsteht – im Dialog. Gute Führung ist nicht alleinige Aufgabe des oder der Vorgesetzten. Vielmehr geht es darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem alle wachsen können. Dazu gehören Tools, Haltung und Vertrauen. Und auch die Bereitschaft, Führung in Entwicklung zu denken – durch regelmäßige Reflexion, Dialoge und gemeinsames Lernen.

neext: Die Arbeitswelt verändert sich auch durch KI – und gerade HR und Leadership werden dabei stark beeinflusst. Welche Fähigkeiten müssen Führungskräfte künftig mitbringen?

Kübler: Es braucht eine neue digitale Souveränität. KI ist in vielerlei Hinsicht ein großer Hebel – wenn wir lernen, sie richtig einzusetzen. Einerseits als „Kollege“, etwa zur Unterstützung in der Besprechung, beim Strukturieren von Gedanken oder bei der Wissensorganisation. Andererseits auch zur Prozessverbesserung: Wo können wir schneller, effizienter, kreativer werden? Doch dazu braucht es Medienkompetenz, kritisches Denken und eine klare Haltung. Es genügt nicht, Tools zu kennen – ich muss auch bewerten können, was sinnvoll ist und was nicht. Die Fähigkeit zur Auswahl, zur Fokussierung, wird entscheidend. Und zugleich dürfen wir nicht vergessen: KI nimmt Aufgaben ab, aber nicht Verantwortung. Diese bleibt menschlich.

neext: Ihr habt den „Future Proof Navigator“ entwickelt – ein Tool zur Standortbestimmung der Zukunftsfähigkeit. Was steckt dahinter?

Kübler: Der Future Proof Navigator ist unser strategisches Analyse- und Reflexionstool, mit dem Unternehmen ihren Reifegrad in zentralen Zukunftsfeldern bewerten können. Wir haben vier Kernfelder identifiziert: Anpassungsfähigkeit, Unternehmenskultur, Prozesse & Strukturen sowie Kompetenzen. Darunter liegen je 3 Subfelder – etwa Resilienz, technologische Innovationsfähigkeit, Cybersicherheit, Engagement oder persönliche und soziale Kompetenzen. Die Idee ist, Unternehmen eine Art Kompass zu geben: Wo stehen wir? Wo haben wir blinde Flecken? Wo sind wir stark? Die Ergebnisse bieten die Basis für gezielte Entwicklung – nicht als externes Urteil, sondern als Einladung zur Reflexion und zur eigenen Zukunftsgestaltung.

neext: Du bist neben deiner Rolle bei SYNK GROUP auch CEO der Leada AG. Was genau bietet ihr dort an – und warum braucht es ein neues Verständnis von Lernen?

Kübler: Mit Leada bieten wir eine App-basierte Lösung für Führung und Selbstführung. Ziel ist es, Lernen dort zu ermöglichen, wo es wirkt: im Alltag. Lernen darf heute nicht mehr in Schulungsräumen enden – es muss in die Praxis übergehen. Deshalb bieten wir strukturierte Lernpfade zu Themen wie Zeitmanagement, Feedback, Resilienz oder KI-Kompetenz, die Mitarbeitende individuell durchlaufen können. Das ist ein Paradigmenwechsel. Früher dachte man: „Führungskraft erkennt Problem → organisiert Workshop → setzt Impuls.“ Heute sagen wir: „Team erkennt Problem → nutzt digitales Lernmodul → reflektiert gemeinsam und entwickelt Lösung.“ Führung wird so kollaborativer, skalierbarer, agiler.

neext: Du sprichst von der „Werkstatt der Gesellschaft“. Welche gesellschaftlichen Veränderungen erwartest du – auch mit Blick auf Unternehmen?

Kübler: Ich bin überzeugt: Unternehmen werden in den kommenden Jahren die größten Veränderungsmanager der Gesellschaft sein. Warum? Weil dort Millionen von Menschen täglich arbeiten. Wenn wir es schaffen, dort Selbstwirksamkeit zu stärken, Lernräume zu öffnen und Menschen neue Perspektiven zu bieten, dann strahlt das auf die Gesellschaft aus. Angesichts von KI, demografischem Wandel und Fachkräftemangel müssen wir Qualifizierung und Sinnorientierung neu denken. Vielleicht müssen Menschen in Zukunft mehrfach neu ansetzen – nicht aus Zwang, sondern als Chance. Unternehmen, die dabei begleiten, werden nicht nur wirtschaftlich erfolgreich sein, sondern auch gesellschaftlich bedeutsam.

neext: Ein starker Appell. Was wünschst du dir konkret von Führungskräften in der Zukunft?

Kübler: Mut zur Menschlichkeit. Führung heißt heute: mit Unsicherheit umgehen, Dialoge führen, Haltung zeigen. Wir brauchen keine perfekten Führungskräfte – sondern reflektierte, offene Menschen, die bereit sind zu lernen, zu begleiten und gemeinsam mit ihren Teams zu wachsen.