„Die symbolische Wirkung eines eingestürzten Bauwerks wie der Carola-Brücke in Dresden oder die jahrelange Unterbrechung einer wichtigen Verkehrsader ist fatal.“ Das sagt einer, der es wissen muss: Zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen bei Drees & Sommer hat der promovierte Bauingenieur Christian Ganz es tagtäglich mit Brücken zu tun.
Brücken sind nicht nur in Deutschland momentan in aller Munde. Das hat einen guten Grund, hat man sie vielerorts doch viel zu lange nur stiefmütterlich behandelt. Entsprechend ist es um ihren baulichen Zustand bestellt: Über 8.000 gelten derzeit im gesamten Autobahnnetz als sanierungsbedürftig. An Bundesstraßen sind es immerhin circa 3.000.
Warum sind so viele Brücken in Deutschland marode?
Die Sanierung dieser Brücken ist eine Mammutaufgabe. Ursachen für deren schlechten Zustand gibt es viele: Ihr mittlerweile oft recht hohes Alter von mehreren Jahrzehnten, der kontinuierlich zunehmende Verkehr sowie das wachsende Gewicht unserer Fahrzeuge ergeben einen für Brücken unguten Mix. Nur: Wie geht man mögliche Lösungen an? Wie bündelt man die begrenzten Ressourcen? Welche Prioritäten gilt es zu setzen? Und wie geht man im Einzelfall vor, damit eine Brückensanierung nicht unnötig Zeit und Geld verschlingt?
Innovative Sanierungsstrategie: Brücken als Cluster betrachten
Infrastruktur-Experten von Drees & Sommer gehen seit einiger Zeit einen innovativen Weg. Das neuartige ihres Ansatzes: Mithilfe einer Software betrachten sie nicht nur eine einzelne Brücke, sondern gleich ganz viele auf einmal. Erfasst werden in diesem Schritt zahlreiche Grundlagen-Parameter wie Baujahr, Konstruktionstyp oder die spezifische Funktion im Verkehrsgeschehen. Im Laufe der Erfassung entstehen so viele Datensätze, die die Spezialisten mithilfe des intelligenten Programms auf Gemeinsamkeiten hin durchforsten können.
Auf diese Weise bilden sie schließlich Brücken-Cluster, schnüren also Pakete einander ähnlicher Brücken. Ähnlich beispielsweise im Hinblick auf ihre Bauweise. Oder auf die vorhandenen Schäden. Oder auch auf die Art und Weise der täglichen Belastungen. Ein Beispiel für diese Strategie ist die Stadt Nürnberg, die beim Erfassen und Sanieren ihrer rund 300 Brücken nach dieser Methode vorgegangen ist.
Künftig soll KI die Brückensanierung pushen
Dieses neu gewonnene und in der Folge paketierte Wissen um ihre Brücken kombiniert die Stadt mit der strategischen Planung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Doch die Zukunft verspricht für in die Jahre gekommene und schadhafte Brücken noch ganz andere Abhilfe: Künftig wird auf dem Weg zur Rettung unserer Brückensubstanz wohl vermehrt Künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen.
Beim Forschungsprojekt HyBridGen beispielsweise soll die Technik schon in der frühen Planungsphase plausible Brückendesigns erstellen. Dazu greift sie auf ihr ‚Wissen‘ zurück, das sie aus vorhandenen Trassen- und Geodaten gewinnt. Zu diesem Zweck verknüpft die KI die Daten aus Planwerken, Ingenieurwissen und spezifische Projektdetails und generiert daraus in der ersten Entwurfsphase Bürckendesigns. „Mit HyBridGen sind wir Teil eines Projekts, das Innovationen in konkreten Anwendungsfällen tatsächlich umsetzt“, fasst Jonah Scheible, der das Projekt bei Drees & Sommer leitet, den praxisorientierten Ansatz zusammen.
Um die Zukunft unserer Brücken scheint es somit gar nicht so schlecht zu stehen – wenn, ja wenn wir jetzt entschlossen anpacken!
- 130.000 Straßen- und Bahnbrücken halten Deutschland zusammen
- Davon sind 8.000 Brücken im Autobahnnetz und 3.000 Brücken an Bundesstraßen und 1.100 Bahnbrücken sanierungsbedürftig
- Die meisten der 28.000 Autobahnbrücken in Deutschland entstanden zwischen 1960 und 1980 und haben ihre besten Tage hinter sich
- 11.000 Eisenbahnbrücken sind über 100 Jahre alt