Fernwärme ist gut fürs Klima – zumindest in der Theorie. In der Praxis wird in Deutschland derzeit nur rund 30 Prozent davon aus erneuerbaren Energien erzeugt1. Einen Unterschied könnten Wärmepumpen bewirken, die statt Gas und Kohle die Umweltwärme als Quelle nutzen und diese effizient mit Strom auf ein höheres Nutztemperaturniveau anheben. Ihre Integration in bestehende Wärmenetze ist bisher jedoch aufwendig und teuer. Im Rahmen des Verbundvorhabens „TrafoWärmeNetz“ erarbeitet nun ein interdisziplinäres Forschungsteam Lösungen und Strategien für die systematisierte und standardisierte Integration von Wärmepumpen in bestehende Nah- und Fernwärmenetze. Ihr Ziel: Ein digitales Planungstool zu entwickeln, das vor allem kleineren und mittleren Energieversorgern und Netzbetreibern hilft, ihre fossil betriebene Wärmenetze einfach und schnell in wärmepumpenbasierte Wärmenetze umzuwandeln. Neben dem auf Bau und Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen Drees & Sommer sind die Hochschule für angewandte Wissenschaften München, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, die Stadtwerke am See GmbH Überlingen, die Stadtwerke Pfaffenhofen a. d. Ilm und die Danpower GmbH mit dabei. Das im Januar 2024 gestartete Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und läuft noch bis Ende 2026.
Von Gebäudeblöcken bis hin zu ganzen Stadtteilen – Nah- und Fernwärmenetze versorgen etwa sechs Millionen Haushalte in Deutschland mit Wärme2. Mit rund 86 Prozent wird der Großteil davon mittels Blockheizkraftwerke, kurz BHKW, gewonnen. Diese arbeiten nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung, kurz KWK, bei dem die durch die Energieerzeugung entstandene Abwärme für Heizzwecke genutzt wird. Der Knackpunkt dabei: Als Brennstoffe kommen vor allem fossile Energiequellen wie Erdgas, Heizöl oder Kohle zum Einsatz. Nachhaltige Alternativen wie Biogas oder Pflanzenöl werden zwar auch eingesetzt, sind jedoch nicht in ausreichenden Mengen verfügbar.
"Schätzungen nach können durch die nachhaltige Transformation der kleinen und mittleren Bestandsfernwärmenetze rund 200 Tausend Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Mit dem geplanten Ausbau der Wärmenetze und der vollständigen Dekarbonisierung der Wärmeversorgung steigt dieser Wert potenziell sogar auf jährlich bis zu 10 Millionen Tonnen CO2. Um dieses Potenzial zu heben, bieten sich Wärmepumpen oder hybride Systeme hervorragend an“, erklärt Prof. Dr. Madjid Madjidi, Professor für integrale, EDV-gestützte Planung in der Gebäudetechnik an der Hochschule München. Gemeinsam mit dem Fraunhofer ISE bringt die Hochschule eine wissenschaftliche Perspektive in das Forschungsvorhaben „TrafoWärmeNetz“ ein. Als Praxispartner steuert das Beratungsunternehmen Drees & Sommer planerische und bautechnische Expertise aus zahlreichen Projekten bei, während die Stadtwerke am See GmbH Überlingen, die Stadtwerke Pfaffenhofen a. d. Ilm und die Danpower GmbH ihre Erfahrungen als Versorger und Energienetzbetreiber teilen und aktuelle Herausforderungen der Branche in das Projekt einbringen. Das Vorhaben wird im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom Projektträger Jülich (PtJ) betreut.
Viele Hürden beim Umrüsten der Wärmenetze
„Bisher ist eine Transformation bestehender Wärmenetze ziemlich aufwendig. Vor allem kleineren und mittleren Wärmeversorgern und Netzbetreibern fehlt es oft an technischem und planerischem Know-how, um ihre Wärmenetze zeit- und kosteneffizient umzurüsten. Hinzu kommen die bürokratischen Hürden. Eine nachhaltige Transformation dieser Wärmenetze kann daher nur durch Standardisierung und Systematisierung der Umstellprozesse gelingen“, ist Mathias Lanezki, Projektverantwortlicher von Drees & Sommerüberzeugt. Als kleine und mittlere Bestandsfernwärmenetzte definiert das Expertenteam dabei Wärmenetze, die im Leistungsbereich zwischen 300 Kilowatt (kWhth) bis 10 Megawatt (MWth) liegen. Damit können Wohnquartiere und Stadtteile mit etwa hundert bis mehreren tausend Einwohnern versorgt werden
Um den Planungs- und Umsetzungsprozess auf wärmepumpenbasierte Bestandsnetze zu standardisieren, entwickelt das Forschungsteam ein digitales Planungswerkzeug. Dieses soll mittels Simulationen aufzeigen, wie verschiedenste Verbraucher eines Netzes mit Wärme versorgt werden und wie unterschiedlicher Wärmeerzeuger und ihre Kombinationen zusammenspielen. „Aktuell wissen viele Betreiber nicht, welche Potenziale ihre Bestandswärmenetze überhaupt haben oder wie sie diese technisch und energiewirtschaftlich sinnvoll umrüsten können. Oftmals fehlen ihnen dafür schlichtweg Daten und Vergleiche. Diese Lücke möchten wir mit unseren Forschungsergebnissen und dem digitalen Planungswerkzeug künftig schließen“, so Mathias Lanezki weiter.
Software-Demonstrator liefert erste Erkentnisse
Um die dafür notwendigen Grundlagen zu schaffen, bewertete das Expertenteam zunächst die Ausgangssituation und definierte die Anforderungen für die Integration von Wärmepumpen in die bestehende Wärmenetze. Wie sehen Transformationsstrategien und mögliche Lösungen für wärmepumpenbasierten Bestandsnetze aus? Wann kommen welche Hybridsysteme in Frage und wann ist ein monoenergetisches System sinnvoll? Inwieweit sind sie technisch umsetzbar und wie viel CO2 kann dadurch eingespart werden? Diese und weitere Fragen stehen dabei im Fokus der Untersuchung.
Das Projektteam hat bereits einen ersten Software-Demonstrator entwickelt, der in der Lage ist, den Wärmebedarf eines Gebäudes – und perspektivisch auch mehrerer Gebäude – präzise zu simulieren. Die Validierung des Demonstrators hat gezeigt, dass die Simulationsergebnisse mit denen etablierter Tools wie IDA ICE vergleichbar sind – bei gleichzeitig deutlich geringerem Zeitaufwand. „Diese Ergebnisse bilden eine solide Grundlage, um Wärmepumpen effizient auszulegen und ihre Integration in bestehende Wärmenetze technisch und wirtschaftlich fundiert zu planen. Das ist ein erster Erfolg für uns und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, sagt Lorenz Lange, Planer bei Drees & Sommer und Entwickler des Software-Artefakts.
Nach dem Projektabschluss soll das digitale Planungstool den Wärmenetzbetreibern und Energieversorgern eine praktische Orientierungshilfe liefern und die Wärme- und Energiewende vorantreiben. Das Forschungsprojekt läuft noch bis Ende 2026.
Zusatzinformation: Schrittweise Prozesskette basierend auf Open-Source-Werkzeugen
Ein weiterer Baustein des Software-Demonstrators bildet die relevanten Wärmebedarfe eines beliebigen Gebiets in Deutschland ab. Das erfolgt über eine Kette von Open-Source-Werkzeugen mittels einer browserbasierten Entwicklung in OpenStreetMap, einer frei zugänglichen digitalen Weltkarte. Mit diesen Bedarfen können gezielt wirtschaftlich optimale Topologien für den Aus- oder Neubau von Wärmenetzen projektiert werden. Die berechneten Rohrnetze lassen sich anschließend mittels einer thermohydraulischen Rechnung hinsichtlich der Schlechtpunkte analysieren. Die Werkzeugkette setzt darauf an, dass Excel in jedem Zwischenschritt zum Einsatz kommt, sodass Nutzer auch andere Werkzeuge, z. B. für einen Quervergleich, einsetzten oder auch jeden Prozessschritt individuell gestalten können. In der Abbildung 2 wird der entwickelte Prozess schematisch dargestellt.